Schuldenabbau bedeutet auch Guthabenabbau, Immer!
Einleitung
Haben Sie sich schon einmal gefragt, was eigentlich geschieht, wenn ein Kredit zurückgezahlt wird? Auf den ersten Blick scheint die Antwort einfach: Der Schuldner überweist Geld an die Bank, seine Verbindlichkeit sinkt, und er ist ein Stück freier. Wir verbinden diesen Vorgang mit positiven Gefühlen: Befreiung, Sicherheit, Unabhängigkeit. Wer Schulden abbaut, hat es geschafft, denkt man. Doch dieser Blick greift zu kurz. Denn was dabei meist übersehen wird: Schulden und Guthaben sind zwei Seiten derselben Medaille. Wenn eine Schuld verschwindet, verschwindet auch das dazugehörige Guthaben. Wer tilgt, reduziert nicht nur die eigene Verbindlichkeit, sondern löscht gleichzeitig Geld aus dem System.
Dieser Zusammenhang wirkt auf den ersten Blick banal, fast trocken, aber er ist von enormer Tragweite. Denn der grösste Teil des Geldes in der Schweiz besteht nicht aus Münzen und Banknoten, sondern aus Buchgeld auf Bankkonten. Und dieses Buchgeld entsteht, wenn Banken Kredite vergeben, und verschwindet wieder, wenn diese zurückgezahlt werden. Das bedeutet: Schuldenabbau bedeutet zugleich Guthabenabbau und Geldvernichtung. Ein Vorgang, der für den Einzelnen sinnvoll erscheinen mag, kann für die Gesamtwirtschaft destabilisierend wirken.
Stellen Sie sich vor, eine grosse Zahl von Haushalten beginnt gleichzeitig, ihre Hypothekarschulden aggressiv zu tilgen. Jeder Einzelne gewinnt Sicherheit, doch gleichzeitig sinken Bankguthaben, die Geldmenge schrumpft, und die Wirtschaft verliert Liquidität. Konsum und Investitionen brechen ein, Unternehmen machen weniger Umsatz, Einkommen sinken, Arbeitsplätze geraten unter Druck. Was individuell ein Gewinn ist, wird kollektiv zur Gefahr. Denn Geld kann nur einfach verwendet werden. Entweder Konsum oder Schuldenabbau.
Genau hier zeigt sich das Paradox: Der Wunsch nach Stabilität kann Instabilität erzeugen. Was für den Einzelnen rational ist, wirkt für die Gesellschaft kontraproduktiv. Diese Dynamik ist alles andere als theoretisch, sie betrifft unser tägliches Leben und prägt die Stabilität unseres Finanzsystems. Trotzdem taucht sie in der öffentlichen Debatte kaum auf. Politiker sprechen gerne von „soliden Finanzen“ und „Schuldenabbau“, doch kaum jemand erklärt, dass dies immer auch bedeutet, Guthaben und Geld aus dem System zu ziehen.
Kann eine Volkswirtschaft also überhaupt schuldenfrei werden? Oder wäre dies gleichbedeutend mit einem Verschwinden aller Guthaben? Und was würde das für uns bedeuten – für unsere Ersparnisse, unsere Einkommen, unseren Wohlstand?
Diese Fragen sind unbequem, aber sie führen mitten ins Herz unseres kreditbasierten Geldsystems. Wer sie stellt, erkennt schnell: Geld ist keine neutrale Substanz, die unabhängig von Schuld existiert, sondern ein Netzwerk von Forderungen und Verbindlichkeiten. Und wer sie versteht, blickt mit anderen Augen auf Schlagworte wie „Entschuldung“, „Konsolidierung“ oder „solide Haushalte“.
Hauptteil
Schulden und Guthaben – die unsichtbare Symbiose
Das Fundament unseres Geldsystems ist die doppelte Buchführung. Jede Schuld ist buchhalterisch das exakte Gegenstück eines Guthabens. Wenn eine Bank einem Unternehmen in Zürich einen Kredit über 1 Mio. CHF gewährt, entstehen zwei Positionen gleichzeitig: eine Forderung der Bank auf Rückzahlung und ein Guthaben des Unternehmens in Form einer Kontoeinlage. Dieses Guthaben ist für das Unternehmen nutzbar – es bezahlt Löhne, Maschinen, Mieten. Doch dieses Guthaben ist nur deshalb da, weil zuvor eine Schuld eingegangen wurde.
Diese Logik gilt nicht nur für einzelne Kredite, sondern für das gesamte Finanzsystem. Die Summe aller Guthaben ist immer etwas grösser wie die Summe aller Schulden. Der private Wohlstand ist also unmittelbar an die Existenz von Schulden gebunden. Wer glaubt, Guthaben könnten unabhängig von Verbindlichkeiten existieren, verkennt die Funktionsweise unseres Systems.
Nur wenn Schulden gestrichen werden, weil ein Unternehmen Liquidiert wird ohne dass alle Schulden getilgt sind, der ein Schuldner seinen Privatkonkurs erklärt. In beiden Fällen erhalten die Banken einen Verlustschein, werden diesen aber wohl eher schneller vollständig abschreiben. In diesem Fall wird eine Schuld gestrichen, während das ursprünglich dazugehörige Guthaben weiterhin im Geldkreislauf existiert.
Geldschöpfung und Geldvernichtung
Das meiste Geld in der Schweiz besteht nicht aus Banknoten oder Münzen, sondern aus Buchgeld. Mehr als 90% der Geldmenge M0–M3 sind Giralgeld, das durch Kreditvergabe entsteht. Immer wenn eine Bank einen Kredit gewährt, schafft sie neues Buchgeld. Immer wenn ein Kredit getilgt wird, verschwindet dieses Geld wieder. Dieser Mechanismus macht deutlich: Schuldenabbau bedeutet nicht eine Verschiebung von Geld, sondern seine Vernichtung von Buchgeld.
Die Vorstellung, dass „gespartes“ Geld irgendwo in einem Tresor aufbewahrt wird, ist ein Mythos. Wenn Kredite zurückgezahlt werden, schrumpfen die Bankbilanzen. Guthaben und Schulden lösen sich simultan auf. Für die Gesamtwirtschaft bedeutet das: Weniger Zahlungsmittel stehen zur Verfügung, die Nachfrage bricht ein.
Individuelle Rationalität – kollektiver Widerspruch
Für den Einzelnen ist Schuldenabbau rational. Ein Haushalt, der seine Hypothek reduziert, senkt das Risiko steigender Zinsen. Ein Unternehmen, das Kredite zurückführt, erhöht seine Stabilität. Ein Staat, der Schulden abbaut, reduziert seine Zinslast. Doch in der Summe entsteht ein paradoxes Resultat: Wenn alle Akteure gleichzeitig entschulden, geht der Wirtschaft das Geld aus. Denn Geld kann entweder für Konsum oder Investitionen einerseits, oder für den Schuldenabbau andererseits verwendet werden.
Dieses Muster wird oft unterschätzt, weil wir gewohnt sind, in individuellen Kategorien zu denken. Wir betrachten Schulden als persönliche Last und Guthaben als persönlichen Gewinn. Doch das Kreditgeldsystem ist eine kollektive Konstruktion. Was individuell sinnvoll ist, kann gesamtwirtschaftlich schädlich sein.
Historische Parallelen – wenn Schuldenabbau zur Krise führt
Nach grossen Finanzblasen zeigt sich dieses Muster besonders deutlich:
Griechenland: Nach der Finanzkrise 2008 kam Griechenland bald in den Fokus. Das BIP sank zw. 2008 und 2014 um rund ein Viertel. Also Folge sanken die Steuereinnahmen. Die Arbeitslosigkeit stieg. Die Troika wollte, dass Kennzahlen eingehalten werden. Löhne wurden gesenkt, Steuern erhöht, Renten gesenkt. Und trotzdem besserte sich die finanzielle Lage ohne neues Geld von Aussen nicht.
USA: Nach der Finanzkrise 2008 reduzierten Millionen Haushalte ihre Hypotheken. Banken verschärften ihre Kreditvergabekriterien. Das Ergebnis war ein historischer Rückgang der Neuverschuldung und eine tiefe Rezession. Die Geldmenge stieg weiterhin, da der Staat seine Ausgaben, und damit seine Staatsverschuldung, erhöhte.
Eurozone: Zwischen 2010 und 2015 versuchten viele Staaten, ihre Defizite durch Austerität zu senken. Gleichzeitig entschuldeten Unternehmen und Haushalte. Die kollektive Entschuldung führte zu einer Stagnation, aus der die Eurozone erst mit Mühe herausfand. Die EZB versuchte in dieser Zeit krampfhaft, die Banken dazu zu motivieren Kredite an Unternehmen zu vergeben. Mit überschaubarem Erfolg.
Alle diese Fälle zeigen: Kollektiver Schuldenabbau führt nicht zu mehr Stabilität, sondern zu weniger Liquidität, weniger Nachfrage und stagnierender oder schrumpfender Wirtschaft.
Die Schweiz: Hypotheken im Zentrum
Die Schweiz ist in besonderer Weise von Hypothekarschulden geprägt. Über 1,2 Billionen CHF sind aktuell als Hypotheken vergeben – rund 150% des Bruttoinlandprodukts. Für viele Haushalte ist die Hypothek der grösste finanzielle Posten, für Banken der wichtigste Aktivposten.
Was passiert, wenn viele Schweizer Haushalte beginnen, ihre Hypotheken zu tilgen? Zunächst sinken ihre persönlichen Verpflichtungen. Doch gleichzeitig schrumpfen die Einlagen bei den Banken. Damit verringert sich die Geldmenge, die für Konsum und Investitionen zur Verfügung steht. Besonders spürbar wäre dies in Branchen wie Bau, Detailhandel oder Dienstleistung, die stark von der Kaufkraft der Haushalte abhängen.
Ein Szenario, in dem breite Bevölkerungsschichten entschulden, würde die Konjunktur abbremsen. Unternehmen würden weniger investieren, Arbeitsplätze gerieten unter Druck, Steuereinnahmen sänken. Die individuelle Suche nach Sicherheit verwandelte sich in kollektive Instabilität.
Je nachdem wie sich die Bevölkerung nach der Abstimmung über den Eigenmietwert verhält, könnte dies sich in der Summe der ausstehenden Hypotheken zeigen.
Psychologie: Sicherheit als systemischer Risikofaktor
Warum entschulden Menschen? Meist aus verständlichen Motiven: Angst vor Arbeitsplatzverlust, Sorge vor steigenden Zinsen, Wunsch nach finanzieller Freiheit. Diese Motive sind rational – und doch wirken sie im Aggregat wie ein Bremsklotz.
Wenn viele Haushalte gleichzeitig sparen und Schulden abbauen, sinkt die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Unternehmen sehen weniger Absatzchancen, halten Investitionen zurück und bauen Stellen ab. Die Unsicherheit wächst – und verstärkt den Drang zum weiteren Schuldenabbau. So entsteht ein sich selbst verstärkender Teufelskreis.
Der Staat als Gegengewicht
Eine Möglichkeit, diesen Prozess zu bremsen, liegt beim Staat. Wenn private Haushalte und Unternehmen entschulden, kann der Staat durch höhere Ausgaben und Defizite gegensteuern. Genau dies geschah nach 2008 und in den Corona Jahren: Viele Länder nahmen höhere Schulden auf, um die private Entschuldung auszugleichen. Doch dieser Weg ist politisch umstritten. In der Schweiz schreibt die Schuldenbremse eine ausgeglichene Haushaltsführung vor. Zu starkes Defizit wird sofort kritisiert. Dadurch fehlt dem Staat Handlungsspielraum, wenn private Akteure massenhaft entschulden.
Die Schuldenbremse: Stabilität oder Fessel?
Die Schweizer Schuldenbremse gilt international als Vorbild. Sie zwingt Bund und Kantone, Einnahmen und Ausgaben über den Konjunkturzyklus hinweg auszugleichen. In Zeiten guter Konjunktur sollen Überschüsse erzielt, in Krisenzeiten dürfen Defizite gemacht werden. Auf den ersten Blick scheint dies eine vernünftige Regel: Sie schützt vor exzessiver Verschuldung und garantiert langfristige Solidität.
Doch in der Praxis kann die Schuldenbremse zur Fessel werden. Wenn viele private Akteure gleichzeitig entschulden, müsste der Staat gegensteuern und zusätzliche Nachfrage schaffen. Doch genau hier setzt die Schuldenbremse enge Grenzen. Politische Debatten über „zu hohe Defizite“ führen dazu, dass der Staat oft zu früh auf die Bremse tritt. So verstärkt er ungewollt den Abschwung.
Beispiel: Während der Corona-Krise nahm der Bund zwar temporär hohe Defizite auf. Doch bereits kurz nach der Pandemie wurde politischer Druck aufgebaut, die zusätzlichen Schulden schnell wieder abzubauen. Damit wurde eine Debatte ausgelöst, die eher Verunsicherung als Stabilität brachte.
Die Schuldenbremse illustriert damit exemplarisch das Grundproblem: Was als Garant für Stabilität gedacht ist, kann in bestimmten Phasen Instabilität erzeugen. Sie zeigt, wie schwierig es ist, das Paradox von individueller und kollektiver Rationalität institutionell zu lösen.
Die Rolle der Nationalbank
Eine weitere Instanz ist die Schweizerische Nationalbank (SNB). Sie kann Liquidität schaffen, indem sie Wertschriften kauft oder Kredite vergibt. Während der Corona-Pandemie tat sie genau dies: Milliarden an zusätzlichem Buchgeld flossen ins System. Doch auch hier gilt: Geldschöpfung ersetzt nicht automatisch die Geldvernichtung durch Rückzahlungen. Wenn private Akteure entschlossen entschulden, muss die SNB immer grössere Mengen an Liquidität bereitstellen, um die Schrumpfung auszugleichen.
Die Vollgeld-Initiative im Spiegel der Problematik
2018 stimmte die Schweiz über die Vollgeld-Initiative ab. Ihr Ziel war es, die Geldschöpfung neu zu ordnen: Nur die Nationalbank sollte neues Geld schaffen dürfen, Banken sollten lediglich Geld verleihen, das sie tatsächlich hatten. Befürworter sahen darin eine Möglichkeit, die Wirtschaft krisenresistenter zu machen.
Doch auch im Vollgeld-System wäre das Grundproblem bestehen geblieben: Jede Schuld entspricht einem Guthaben. Wenn Kredite getilgt werden, verschwinden die dazugehörigen Guthaben. Die Initiative hätte die Kontrolle über die Geldmenge verschoben, nicht aber den fundamentalen Zusammenhang aufgelöst. Entschuldung hätte auch dort Guthabenabbau bedeutet.
Allerdings hätte es aufgrund schlechter Geschäftsergebnisse einer Bank keinerlei Grund für einen Bankrun gegeben, da ein Vollgeld-Konto immer absolut sicher gewesen wäre.
Illusion „schuldenfreie Gesellschaft“
Immer wieder taucht die Idee auf, dass es wünschenswert sei, wenn eine Gesellschaft schuldenfrei wäre. Doch das ist eine Illusion. Ohne Schulden gäbe es im heutogen Geldsystem keine Guthaben. Ohne Guthaben gäbe es kein Geld. Und ohne Geld gäbe es keine funktionierende Wirtschaft.
Unser kreditbasiertes System lebt von der ständigen Dynamik von Kreditaufnahme und Rückzahlung. Versiegt diese Dynamik, erstarrt die Wirtschaft.
Konsequenzen für Anleger und Sparer
Wer in diesem System spart, sollte sich bewusst sein: Seine Guthaben existieren nur, solange andere Schulden bestehen. Das gilt für Bankkonten ebenso wie für Obligationen oder Anleihen. Wenn Schulden im grossen Stil reduziert werden, geraten auch die Anlagen von Sparern unter Druck. Dieses Risiko wird in der öffentlichen Diskussion selten angesprochen – und doch betrifft es Millionen Menschen.
Konsequenzen für Unternehmen
Unternehmen wiederum stehen im Spannungsfeld zwischen Eigenkapital und Fremdkapital. Ein gewisses Mass an Verschuldung ermöglicht Investitionen, Wachstum und Innovation. Zu wenig Verschuldung kann das Gegenteil bewirken: fehlende Expansion, weniger Produktivität, geringere Wettbewerbsfähigkeit. Gerade für exportorientierte Schweizer Firmen ist der Zugang zu Krediten ein entscheidender Wettbewerbsfaktor.
Zusammenfassung
Die Analyse zeigt: Schuldenabbau ist kein neutraler Vorgang. Er vernichtet Guthaben und damit Buchgeld, bremst die Nachfrage und schwächt die Wirtschaft. Individuell sinnvoll, gesamtwirtschaftlich riskant – dieses Paradox durchzieht unser gesamtes Finanzsystem. Die Schweiz mit ihrem hohen Hypothekenanteil ist dafür besonders anfällig. Weder eine strikte Austerität noch eine Vollgeld-Reform ändern diesen fundamentalen Zusammenhang.
Schlussfolgerung und Ausblick
Wenn wir den Mechanismus des Schuldenabbaus ernst nehmen, erkennen wir eine unbequeme Wahrheit: Eine Volkswirtschaft kann nur gleichzeitig Schulden und Guthaben reduzieren. Wer entschuldet, löscht zugleich Geld. Was für den Einzelnen nach Befreiung klingt, bedeutet für die Gemeinschaft Liquiditätsentzug, geringere Nachfrage und steigende Instabilität. Dieses Paradox prägt unsere Gegenwart und wird unsere Zukunft bestimmen, solange wir in einem kreditbasierten Geldsystem leben.
Die öffentliche Debatte greift diesen Zusammenhang jedoch kaum auf. Politiker fordern Schuldenabbau, Haushalte träumen von Unabhängigkeit, Unternehmen suchen nach finanzieller Robustheit. Doch kaum jemand spricht über die Kehrseite: den gleichzeitigen Abbau von Guthaben, den Rückgang der Geldmenge, die deflationären Tendenzen. Indem wir diese Dimension ausblenden, riskieren wir ein kollektives Missverständnis, das im Krisenfall fatale Folgen haben kann.
Gerade in der Schweiz ist die Diskussion besonders wichtig. Mit einem Hypothekenvolumen von über 1,2 Billionen CHF hängen Stabilität und Wohlstand stark von der Dynamik von Krediten ab. Wenn private Haushalte in grossem Stil tilgen, schrumpft die Geldmenge massiv. Gleichzeitig verhindert die Schuldenbremse, dass der Staat flexibel gegensteuert. So kann aus individueller Vorsicht eine gesamtwirtschaftliche Schwäche und Starre entstehen.
Was folgt daraus? Erstens zunächst die Erkenntnis, dass Schulden kein rein negatives Phänomen sind. Sie sind das notwendige Gegenstück zu Guthaben und Grundlage für wirtschaftliche Aktivität. Eine Wirtschaft ohne Schulden ist eine Wirtschaft ohne Geld – und damit ohne Konsum, Investition und Wachstum.
Zweitens wird klar, dass wir über das Verhältnis von Schulden und Guthaben offener diskutieren müssen. Wollen wir wirklich, dass private und öffentliche Akteure gleichzeitig entschulden? Oder wäre es sinnvoller, dass der Staat in Phasen privater Entschuldung bewusst Defizite aufnimmt, um die Geldmenge stabil zu halten?
Drittens sollten wir die psychologische Dimension ernst nehmen. Die verständliche Suche nach Sicherheit kann in der Summe Unsicherheit erzeugen. Indem wir dieses Paradox anerkennen, können wir bewusster über unsere Entscheidungen nachdenken – sei es bei Hypotheken, bei der Unternehmensfinanzierung oder in der Finanzpolitik.
Die zentrale Botschaft lautet: Schuldenabbau bedeutet auch Guthabenabbau. Dieses Wissen gehört nicht nur in Fachkreise, sondern in die breite Öffentlichkeit. Denn jeder von uns ist betroffen – als Schuldner, als Sparer, als Arbeitnehmer, als Unternehmer.
Darum mein Aufruf: Sprechen Sie mit Freunden und Bekannten über diesen Mechanismus. Fragen Sie, was mit Guthaben geschieht, wenn Schulden verschwinden. Diskutieren Sie die Folgen für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Nur wenn wir gemeinsam verstehen, dass Geldflüsse immer zwei Seiten haben, können wir tragfähige Lösungen entwickeln.
Die Herausforderung ist gross, doch das Verständnis ist der erste Schritt. Brechen wir das Schweigen über ein Paradox, das unser Finanzsystem im Innersten prägt – und nutzen wir Wissen als Schutzschild gegen die nächste Krise.