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Vielleicht doch ein Staatsfonds für die Schweiz?

Vielleicht doch ein Staatsfonds für die Schweiz?

1. Einleitung

Die Schweiz besitzt eines der grössten Devisenvermögen der Welt. Über 700 Milliarden Franken an ausländischen Währungen, hauptsächlich in US-Dollar (USD) und Euro (EUR), liegen in den Büchern der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Was ursprünglich als Notmassnahme zur Abwehr eines zu starken Frankens begann, ist längst zu einem strukturellen Bestandteil des Schweizer Finanzsystems geworden. Doch stellt sich zunehmend die Frage: Was tun mit diesen gigantischen Reserven? Gelegentlich nehmen sie zwar etwas ab, aber würde es nicht auch andere Möglichkeiten der Verwendung geben?

Der Ursprung dieser Devisenberge liegt im Zusammenspiel von Import, Export, Dienstleistungen und Kapitalflüssen. Wenn die Schweiz mehr exportiert als importiert – sei es durch Güter, Finanzdienstleistungen, Anlagegelder in Zeiten der Unsicherheit oder z. B. Patenterträge aus dem Ausland – entsteht ein Zufluss von Devisen. Die SNB kauft diese Fremdwährungen gegen neu geschöpfte Franken, um eine übermässige Aufwertung des CHF zu verhindern. Auf dem Papier sichert das Stabilität. In der Praxis aber sitzt die Schweiz auf einem wachsenden Berg an ausländischen Währungen, deren realwirtschaftlicher Nutzen überschaubar ist.

Das Paradox ist offensichtlich: Die Schweiz hortet Devisen, während viele Länder an Devisenmangel leiden. Staaten mit schwacher Zahlungsbilanz – etwa Argentinien, Ägypten, Pakistan oder Äquatorialguinea – kämpfen darum, Energieimporte oder lebensnotwendige Güter bezahlen zu können. Die Liste der Länder, die gerade unter besonderer Devisenknappheit leiden, wechselt von Quartal zu Quartal. Gleichzeitig fehlen in der Schweiz rentable Möglichkeiten, diese Fremdwährungen produktiv einzusetzen. Die Frage liegt auf der Hand: Gibt es einen Weg, die enormen Devisenreserven der SNB so zu nutzen, dass sie sowohl international als auch für die Schweiz selbst einen echten Mehrwert schaffen?

Diese Überlegung führt zu einer grösseren, systemischen Frage: Welchen Sinn hat es, Devisenreserven in fremden Staatsanleihen zu halten, die kaum Ertrag bringen, während die reale Welt um Liquidität ringt? Müsste ein Teil dieser Reserven nicht gezielt in den Aufbau realer Werte – Rohstoffe, Infrastruktur, Bildung oder kulturelle Beziehungen – fliessen? Und wäre es nicht an der Zeit, über die Rolle der SNB hinauszudenken – hin zu einem institutionellen Rahmen, der den nationalen Wohlstand breiter absichert?

2. Analyse der Lage

Das globale Finanzsystem ist von strukturellen Ungleichgewichten geprägt. Einige Länder – darunter die Schweiz, Deutschland oder China – erwirtschaften seit Jahren Überschüsse in der Zahlungsbilanz. Andere, etwa die USA, Grossbritannien oder viele Schwellenländer, weisen chronische Defizite auf. Diese Ungleichgewichte führen dazu, dass Devisenströme nicht mehr den realwirtschaftlichen Austausch widerspiegeln, sondern zunehmend von Kapitalflüssen und Spekulation dominiert werden.

In der Schweiz entsteht der Überschuss nicht nur durch den Export von Gütern oder Dienstleistungen, sondern auch durch Finanzdienstleistungen, Versicherungsgeschäfte, Kapitalzuflüsse in Zeiten der Unsicherheit und die hohe Sparquote der Bevölkerung. Das Resultat: Es fliessen häufig mehr Devisen ins Land, als abfliessen. Damit steigt der Aufwertungsdruck auf den Franken, was wiederum die Exportindustrie belastet. Um diesen Druck abzufedern, interveniert die SNB am Devisenmarkt – sie kauft Euro, Dollar und andere Währungen gegen neu geschöpfte Franken. Diese Politik hat über die Jahre enorme Reserven geschaffen, die nun als „Sicherheitsnetz“ gelten, aber durch Schwankungen grosse Gewinne oder Verluste bringen können..

Währenddessen gibt es Länder, die mit einem strukturellen Devisenmangel kämpfen. Staaten mit negativem Zahlungsbilanzsaldo müssen häufig ihre Währungen abwerten oder Schulden in harter Währung aufnehmen. Ohne Devisen können sie weder Energie noch lebensnotwendige Importe bezahlen. Das führt zu Instabilität, Inflation und sozialem Druck – wie zuletzt in Sri Lanka während der Pandemie, als der Tourismus als Devisenquelle ausfiel. Hier liegt eine paradoxe Chance: Länder mit Devisenüberschuss könnten jenen helfen, die unter Knappheit leiden – nicht als Altruismus, sondern als strategische Partnerschaft. Um die dortigen Strukturen zu verbessern.

3. Möglichkeiten der Devisenverwendung

3.1 Die Rolle der Schweizerischen Nationalbank (SNB)

Die SNB ist gemäss Verfassung verpflichtet, Preisstabilität zu gewährleisten und die Gesamtwirtschaft zu berücksichtigen. Ihre Eingriffe am Devisenmarkt dienen diesem Ziel. Dabei schöpft die SNB keine Devisen, sondern kauft sie mit neu geschöpften Franken – ein fundamentaler Unterschied. Die Devisenreserven sind also eine direkte Folge der Franken-Emission.

Marktinterventionen erfolgen nicht planmässig, sondern situativ – je nach Marktdruck. Die SNB braucht dafür ausreichend Devisenreserven, um bei Bedarf in jeder Richtung stabilisierend eingreifen zu können. Diese Reserven decken mindestens die Frankenkonti ausländischer Kunden bei Schweizer Banken. Damit wird sichergestellt, dass bei Kapitalabflüssen jederzeit genügend Fremdwährungen für Rücktauschaktionen vorhanden sind. Diese operative Sicherheit ist unverzichtbar. Doch sie erklärt nicht, warum die Reserven in einem Ausmass gehalten werden, das weit über das dafür Notwendige hinausgeht.

3.2 Ein Staatsfonds für reale Werte

Ein möglicher Ansatz wäre, die überschüssigen Devisenreserven in einen Staatsfonds auszugliedern – ähnlich wie Norwegen dies mit seinen Erdöleinnahmen tut. Dieser Fonds könnte reale Werte schaffen, die nicht nur finanziellen, sondern auch strategischen Nutzen bringen. Das Ziel wäre hier aus meiner Sicht nicht die Renditemaximierung, sondern die Stärkung der Schweizer Versorgungssicherheit, die Förderung kultureller Beziehungen und die Stabilisierung internationaler Partnerschaften.

Ein solcher Fonds könnte in langfristige Rohstoffpartnerschaften, Bildungsaustausch oder touristische Infrastruktur investieren. Die Anlagen wären breit gestreut, aber klar definiert: keine Beteiligungen an politischen Schlüsselindustrien, keine Einflussnahme auf ausländische Unternehmen, sondern gezielte Kooperationen, die realwirtschaftlich wirken.

Wichtig ist dabei, dass die Schweiz ihre Glaubwürdigkeit wahrt: Sie soll nicht als „Käuferin der Welt“, sondern als verlässliche Partnerin auftreten, die mit Kapital Stabilität schafft.

3.3 Institutioneller Rahmen und Funktionsweise

Die SNB behält ihre operative Unabhängigkeit. Sie führt weiterhin Devisenmarktinterventionen nach Bedarf durch und hält jene Reserven, die zur Währungsstabilisierung erforderlich sind.
Der Staatsfonds erhält hingegen jene Devisenbestände, die nicht unmittelbar für geldpolitische Zwecke benötigt werden.

Seine Governance müsste klar geregelt sein:

  • Parlamentarische Aufsicht, aber operative Unabhängigkeit

  • Jahresberichte mit realwirtschaftlicher Erfolgsrechnung

  • Ethikkodex für Investitionen, um politische Spannungen zu vermeiden

  • Transparente Zweckbindung (z. B. Rohstoffsicherung, Bildung, Tourismusförderung)

Damit entstünde eine duale Struktur: Die SNB sichert die Geldwertstabilität, während der Staatsfonds reale Werte und internationale Resilienz aufbaut.

3.4 Strategisches Ziel: Langfristiger Abbau der Devisenreserven

Langfristig sollte das Ziel nicht in der Verwaltung, sondern im kontrollierten Abbau der Devisenreserven liegen. Der Weg dorthin führt über reale, volkswirtschaftlich sinnvolle Möglichkeiten, wie Schweizerinnen und Schweizer im Ausland Geld ausgeben können – und wie gleichzeitig die Welt enger an die Schweiz gebunden wird.

Wenn Schweizer im Ausland Ferien machen, Studien absolvieren oder Dienstleistungen konsumieren, fliessen Devisen natürlich ab. Doch dieser Abfluss ist kein Verlust, sondern eine Stabilisierung des weltwirtschaftlichen Gleichgewichts. Gezielte Anreize, etwa steuerbegünstigte Auslandaufenthalte, Reisegutscheine bis zur Höhe der gezahlten Bundessteuer oder Studienförderungen, könnten dazu beitragen, dass ein Teil der überschüssigen Devisenreserven über den Konsum zurück in Umlauf gelangt.

Gleichzeitig würde der Aufbau und die Unterstützung von Schweizerschulen im Ausland, Bildungsprogrammen im Dualen System der Berufslehre, Austauschprogrammen und Stipendien für Studierende an ausländischen Universitäten den kulturellen Rückfluss verstärken. Solche Initiativen schaffen keine Abhängigkeiten, sondern Vertrauen und Bindung – und sie tragen dazu bei, dass Schweizer Werte, Sprache und Bildung weltweit sichtbar bleiben.

Auch touristische Investitionen können diesen Prozess verstärken. Wenn Schweizer Reiseveranstalter in devisenschwachen Ländern nachhaltige Hotelanlagen, Ausbildungszentren oder Gesundheitsresorts aufbauen, entsteht doppelte Wirkung: reale Beschäftigung vor Ort und ein natürlicher Devisenabfluss durch Schweizer Touristen. So entsteht eine zirkuläre Stabilisierung, bei der Kapitalüberschüsse produktiv und menschenorientiert verwendet werden.

Der kontrollierte Devisenabbau wäre also nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern auch politisch klug: Er mindert den Aufwertungsdruck auf den Franken, stabilisiert Partnerländer und festigt die internationale Vernetzung der Schweiz – mit minimalem Risiko und maximalem gesellschaftlichem Nutzen. Und wenn Schweizer Ihre CHF Guthaben verwenden, sinkt auch der Frankenumlauf in der Schweiz, was stabilisierend wirken kann. Denn wenn weniger Guthaben vorhanden sind, könnte bei einem Bankrun auch weniger abfliessen.

4. Konkrete Verwendungsmöglichkeiten

4.1 Strategische Rohstoffe und Metalle

Silber, Kupfer und Seltene Erden sind die stillen Rückgrate moderner Technologien. Ihre Verfügbarkeit wird zunehmend zum geopolitischen Risiko. Der Staatsfonds könnte physische Reserven dieser Metalle aufbauen oder langfristige Abnahmeverträge mit rohstoffreichen, devisenschwachen Ländern abschliessen. Ähnlich wie es China in Afrika macht. Im Gegenzug könnten diese Länder über CHF-gestützte Kredite oder Schweizer Technologieimporte ihre eigene Wirtschaft stabilisieren, oder ev. sogar die Weiterverarbeitung der Rohstoffe selbst machen und dadurch die lokale Wertschöpfung stärken. So entstünde eine Win-win-Situation: Versorgungssicherheit für die Schweiz, Stabilität für die Partnerländer.

4.2 Gold und Silber als monetäre Reservewerte

Gold und Silber haben eine jahrtausendealte Rolle als Wertaufbewahrungsmittel. Während die SNB ihre Goldreserven vor rund 20 Jahren reduziert hat, könnte eine partielle Wiederaufstockung als „Schweizer Stabilitätsreserve“ dienen. Physische Edelmetallreserven im Inland wären unabhängig von politischen Risiken und böten eine solide Absicherung gegen Währungsabwertungen oder geopolitische Schocks. Zudem hätten sie einen symbolischen Wert: Sie würden das Vertrauen in den Franken als reale Wertbasis stärken.

4.3 Kooperation mit Ländern im Devisenmangel

Ein grosser Teil der Schweizer Devisenreserven könnte sinnvoll in Kooperationen mit Ländern fliessen, die unter Devisenknappheit leiden, aber wirtschaftliches Potenzial besitzen. Hierzu zählen vor allem Länder mit einem negativen Zahlungsbilanzsaldo gegenüber der Schweiz. Solche Partnerschaften könnten durch Tourismusförderung entstehen. Besonders attraktiv wäre es, auf Destinationen zu fokussieren, die bereits heute von Schweizerinnen und Schweizern bereist werden – etwa Südeuropa, Nordafrika oder Südostasien.

Der Tourismus ist eine natürliche Devisenquelle: Schweizer Reisende bringen Fremdwährungen ins Ausland. Eine gezielte Förderung, etwa durch Ferienresorts primär für Schweizer Gäste, könnte die Devisenreserven indirekt realwirtschaftlich aktivieren. Parallel dazu könnten Stipendien, Schüleraustauschprogramme und der Aufbau von Schweizerschulen im Ausland die kulturellen und sprachlichen Verbindungen stärken.

Auch medizinischer Tourismus mit lokalen Spitälern nach schweizer Standard oder Bildungsaufenthalte könnten Teil dieser Strategie sein. Denn jede Form des internationalen Austauschs, die reale Werte schafft, ist letztlich ein Beitrag zum gesunden Umlauf der Devisen.

4.4 Investitionen und Förderungen im EUR- und USD-Raum

Auch im westlichen Wirtschaftsraum gäbe es Möglichkeiten für produktive Verwendungen, ohne politische Spannungen zu riskieren. Investitionen könnten auf Infrastruktur, Logistik oder touristische Kooperationen beschränkt bleiben, bei denen Schweizer Bürger oder Unternehmen direkt profitieren. Beispiel: Finanzierung des Bahnanschlusses des EuroAirports Basel-Mulhouse, Ausbau der Bahnstrecke Basel Strassburg, Ferienanlagen in europäischen Regionen, die exklusiv für Schweizer Kundschaft konzipiert sind. Ziel ist nicht, den Markt zu dominieren, sondern ihn gezielt zu gestalten – dort, wo reale Werte entstehen und die wirtschaftliche Beziehung stabil bleibt.

Darüber hinaus könnten gemeinsame Innovationsfonds mit europäischen Partnern die Forschung im Bereich nachhaltiger Energie, Medizintechnik oder Ernährungssicherheit stärken. Solche Programme fördern gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit und nutzen den europäischen Wirtschaftsraum als sicheren, aber realwirtschaftlich rentablen Anlageort.

4.5 Geldschöpfung, Vollgeld und reale Gegenwerte

Die Diskussion um Devisenreserven berührt das Kernprinzip des heutigen Geldsystems. Geld entsteht durch Kreditvergabe – es ist also eine Schuld. Die SNB jedoch schöpft Zentralbankgeld, das nicht auf Kreditbeziehungen zwischen Privaten basiert, sondern durch Bilanzverlängerung z.B. im Tausch gegen Devisen. Dieser Mechanismus schafft Zentralbank-Franken, ohne dass reale Güter gegenüberstehen.

Die Vollgeld-Initiative hat diesen Widerspruch bereits thematisiert: Nur Geld, das von der SNB geschaffen wird, wäre echtes, schuldfreies Zahlungsmittel. Würde ein Teil der Geldschöpfung an reale Gegenwerte – etwa Rohstoffe oder Bildungsinvestitionen – gekoppelt, könnte das Vertrauen in die Währung langfristig gestärkt werden. Ein Staatsfonds, der reale Werte hält, wäre somit ein Schritt in Richtung einer „teilreal gedeckten“ Geldordnung.

5. Schlussfolgerung und Ausblick

Die Schweiz steht vor einer strategischen Weichenstellung. Sie verfügt über einen beispiellosen Schatz an Devisen – ein Spiegel jahrzehntelanger Stabilität, aber auch ein Symbol der globalen Ungleichgewichte. Anstatt diese Reserven weiterhin passiv in ausländischen Anleihen und Aktien zu halten, könnte ein Teil davon aktiv für reale, zukunftssichere Werte genutzt werden: Rohstoffe, Edelmetalle, Bildung, Tourismus, kulturelle Beziehungen.

Damit würde die Schweiz nicht nur ihre eigene wirtschaftliche Resilienz stärken, sondern auch internationale Stabilität fördern – auf eine Weise, die ihrer humanitären Tradition entspricht, ohne politische Abhängigkeiten zu schaffen. Hilfe zur Selbsthilfe. Es wäre ein Schritt vom rein monetären Denken hin zu einer realwirtschaftlich orientierten Wertsicherung.

Doch dazu braucht es Mut – und öffentliche Diskussion. Denn solange die Devisenpolitik der SNB ein Expertenthema bleibt, ändert sich nichts. Erst wenn Bürgerinnen und Bürger beginnen, Fragen zu stellen – nach dem Sinn, der Verantwortung und den Möglichkeiten dieser gewaltigen Geldreserven – kann ein neuer Umgang mit dem Schweizer Franken entstehen.

Darum der Aufruf:
Sprich mit Freunden, Kollegen und Bekannten über dieses Thema.
Frage sie, ob Geld wirklich nur in Zahlen auf einer Bilanz bestehen sollte – oder ob es nicht Zeit wäre, daraus reale, greifbare Werte zu schaffen.
Die Zukunft des Schweizer Franken hängt davon ab, ob wir den Mut haben, ihn mit Substanz zu füllen.

Wie kam die SNB zu ihren hohen EUR- und USD-Beständen?

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