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Geldguthaben sind nur „sicher“, wenn Schulden bedient werden

Geldguthaben sind nur „sicher“, wenn Schulden bedient werden

Einleitung

Viele Menschen fühlen sich sicher, wenn sie ihre Ersparnisse auf einem Bankkonto sehen. Die nüchternen Zahlen auf dem Bildschirm oder dem Kontoauszug aus Papier vermitteln Stabilität, Verlässlichkeit und eine Art stillen Besitzanspruch: Wer ein Guthaben hat, glaubt, etwas Reales zu besitzen. Doch diese Sicherheit ist trügerisch. Bankguthaben sind keine Sachwerte, keine Münzen, nichts reales ist hinterlegt. Sie sind nichts anderes als ungesicherte Forderungen gegenüber einer Bank – und ihr Wert hängt unmittelbar davon ab, ob diese Bank ihre Verpflichtungen erfüllen kann. Und ob sie das kann, entscheidet sich nicht im Tresor, sondern in den Bilanzen ihrer Kreditkunden.

Denn jede Einlage, die wir für „sicher“ halten, existiert nur, weil irgendwo ein Kreditnehmer seine Schuld bedient. Werden Kredite nicht zurückgezahlt, schrumpfen die Vermögenswerte der Bank. Und mit jedem Verlust wird die Grundlage jener Guthaben erschüttert, die wir gewohnt sind als selbstverständlich zu betrachten. Was als abstraktes Detail der Bankbuchhaltung erscheint, hat reale Auswirkungen auf die Stabilität unseres Geldes. Sicherheit entsteht nicht durch den Kontostand – sondern durch die Zahlungsfähigkeit Dritter.

Die Schweiz hat diese Fragilität schon erlebt: 1991 geriet die Spar- und Leihkasse Thun ins Wanken, ein Bank Run entstand, und plötzlich wurde sichtbar, wie dünn das Vertrauen sein kann, auf dem das System ruht. Auch die Finanzkrise 2007/08 in den USA zeigte, wie schnell fallende Kreditwerte eine Kettenreaktion auslösen können, die ganze Bankenlandschaften erfasst. Beide Ereignisse sind Mahnungen – nicht historisch fern, sondern strukturell jederzeit wiederholbar.

Trotzdem vertrauen wir weiterhin darauf, dass Guthaben unantastbar und damit sicher sind. Die Politik betont Stabilität, Regulierungen vermitteln ein Gefühl der Kontrolle, und im Alltag scheint alles reibungslos zu funktionieren. Vielleicht ist es gerade diese Routine, die uns blind macht für die Tatsache, dass unser Geldsystem auf einem empfindlichen Gleichgewicht beruht – und dass dieses Gleichgewicht nur solange hält, wie Schuldner zahlen und Banken solvent bleiben.

Doch was passiert, wenn viele gleichzeitig nicht mehr zahlen können? Was, wenn nicht nur eine einzelne Bank erschüttert wird, sondern das gesamte System unter Stress gerät? Wo beginnt die Unsicherheit – und wo endet die Rettungsfähigkeit eines Landes, das sich auf die Stabilität seines Finanzplatzes verlässt?

Dieser Artikel nimmt Sie mit hinter die Kulissen unseres vertrauten Geldes. Er zeigt, warum Guthaben nur scheinbar sicher sind, welche systemischen Risiken dahinterstehen und welche Lösungswege – auch unkonventionelle – denkbar wären, um Geld im Schweizer Franken langfristig stabiler und krisenfester zu gestalten.

2. Kurze Analyse der Lage

Das Schweizer Geldsystem basiert auf einer klaren Zweiteilung: Die Schweizerische Nationalbank (SNB) stellt das Zentralbankgeld bereit, welches Banken untereinander und mit dem Staat verwenden. Für Haushalte und Unternehmen hingegen dominiert das Buchgeld der Geschäftsbanken, also jene digitalen Guthaben, die durch Kreditvergabe entstehen. Diese Struktur führt dazu, dass der Grossteil des in Umlauf befindlichen Geldes nicht von der SNB geschaffen wird, sondern von Banken, die Kredite vergeben und damit gleichzeitig neue Guthaben erzeugen.

Bilanztechnisch entsteht jedes neue Bankguthaben durch einen einfachen, aber folgenreichen Vorgang: Wird ein Kredit gewährt, wächst auf der Aktivseite der Bank ein neuer Forderungsanspruch, während auf der Passivseite das entsprechende Kundenguthaben entsteht. Guthaben sind damit nicht das Ergebnis einer vorgängigen Ersparnis, sondern eines Kreditakts. Und genau daraus entsteht die systemische Abhängigkeit: Die Werthaltigkeit der Guthaben hängt vollständig von der Qualität der Bankaktiven ab.

Solange Kreditnehmer ihre Verpflichtungen erfüllen, bleibt dieses Gleichgewicht stabil. Werden jedoch Kredite notleidend, muss die Bank Wertberichtigungen vornehmen, ihr Eigenkapital schrumpft, und damit geraten auch die Kundenguthaben indirekt unter Druck. Dieses Risiko bleibt im Alltag unsichtbar, weil es selten punktuell sichtbar wird, sondern erst in Stressphasen im gesamten System wirkt.

Zwar existieren Regulierungen, Eigenkapitalvorschriften und Risikopuffer, die das System robuster machen sollen. Auch die Einlagensicherung vermittelt ein Gefühl der Stabilität. Doch all diese Massnahmen können den Kernmechanismus nicht aufheben: Im heutigen Kreditgeldsystem bleibt die Sicherheit der Guthaben unmittelbar an die Zahlungsfähigkeit der Kreditnehmer gekoppelt. Damit entstehen Spannungen, die sich in Krisenzeiten deutlich zeigen – und die im Folgenden genauer aufgezeigt werden.

3. Hauptteil

3.1. Wie Geldguthaben entstehen – und warum sie von Schuldnern abhängig sind

Das heutige Geldsystem basiert auf einem Mechanismus, der auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, aber enorme Tragweite hat: Banken schaffen den grössten Teil des Geldes, indem sie Kredite vergeben. Wird ein Kredit gesprochen, entsteht auf der Aktivseite der Bank eine neue Forderung gegenüber dem Kreditnehmer – und gleichzeitig wächst auf der Passivseite das Guthaben des Kunden, der den Kredit empfängt. Das bedeutet: Das Guthaben, das wir als Vermögen betrachten, existiert nur, weil gleichzeitig eine Schuld beststeht.

Dieser Zusammenhang wird oft übersehen, weil wir Geld intuitiv als etwas Eigenständiges verstehen, nicht als Spiegelbild einer Verbindlichkeit. Doch genau das ist der Kern: Jedes private Geldguthaben ist bilanziell die andere Seite eines Kredits. Die Sicherheit dieses Guthabens hängt somit nicht von der Bank allein ab, sondern von der Zahlungsfähigkeit jener Kreditnehmer, denen die Bank Kredite vergeben hat.

Nur wenn diese Kreditnehmer ihre Verpflichtungen erfüllen, bleiben die Aktiven der Bank werthaltig. Fallen sie hingegen aus, entstehen Wertberichtigungen, die das Eigenkapital der Bank schmälern. Sinkt dieses ausreichend stark, geraten auch die Passivposten – also die Kundenguthaben – ins Risiko. Damit entsteht ein System, in dem die Sicherheit des Geldes im Alltag zwar selbstverständlich wirkt, tatsächlich aber auf einem empfindlichen Gleichgewicht beruht.

3.2. Wenn Kredite ausfallen – was dann mit dem „sicheren Guthaben“ passiert

Kreditausfälle wirken sich nicht linear, sondern überproportional auf Banken aus. In Ausnahmefällen kann ein einzelner grosser Kreditverlust kann ausreichen, um das Eigenkapital einer Bank erheblich zu belasten. Im Normalfall sind aber solche Klumpenrisiken nicht möglich. Da die Bilanzsummen der Banken ein Vielfaches ihres Eigenkapitals betragen, können schon relativ kleine prozentuale Verluste zu ernsten Verwerfungen führen.

Ein prägnantes Beispiel ist die Spar- und Leihkasse Thun (SLT) im Jahr 1991.
Was wie ein lokales Problem begann, führte rasch zu einem Bank Run. Kunden zogen Gelder ab, das Vertrauen kollabierte, die Liquidität reichte nicht mehr aus. Der Kanton musste die Bank stützen, doch der Schaden für viele Beteiligte war beträchtlich. Die entscheidende Lehre: Selbst kleinere Kreditprobleme können durch Vertrauensverlust zu existenziellen Krisen werden. Damals waren es nachgebende Immobilienpreise die zur Krise führten.

Noch deutlicher zeigte sich dies in der Finanzkrise 2007/08 in den USA.
Der Ausfall schlecht besicherter Hypothekenkredite führte zu massiven Abschreibungen auf Wertpapieren. Diese wurden von den US Banken zu neuen Wertpapieren gebündelt, weltweit verkauft und untergruben damit die Bilanzen grosser Banken weltweit. Die Krise weitete sich zu einem systemischen Schock aus, der durch Vertrauensverlust verstärkt wurde. Banken vertrauten sich gegenseitig nicht mehr, der Interbankenmarkt trocknete aus – und plötzlich stand das gesamte System am Rand des Kollapses.

Die entscheidende Erkenntnis lautet: Kreditausfälle treffen immer auch die Guthaben. Nicht unmittelbar im Alltag der Kunden – aber in der Substanz der Bank, die diese Guthaben schuldet. Sobald das Vertrauen verloren geht, verliert auch das Geld seinen vermeintlich sicheren Charakter.

3.3. Psychologie der Sicherheit: Warum wir Kontogeld für „wirklich“ halten

Trotz dieser Zusammenhänge empfinden die meisten Menschen ihr Bankguthaben als absolut sicher. Dafür gibt es mehrere psychologische Gründe:

Erstens wirkt digitales Geld stabil. Zahlen auf einem Bildschirm oder Kontoauszug verändern sich nicht durch Wetter, Diebstahl oder Materialverschleiss – sie erscheinen neutral und unangreifbar. Diese optische Beständigkeit suggeriert eine materielle Realität, die jedoch nicht existiert.

Zweitens spielen staatliche Garantien und politische Kommunikation eine grosse Rolle. Die Botschaft „Ihr Geld ist sicher“ wird regelmässig vermittelt und verschafft ein Gefühl der Kontrolle, selbst wenn es faktisch Grenzen gibt.

Drittens verdrängen viele die Komplexität des Finanzsystems bewusst. Es wäre unangenehm, ständig darüber nachzudenken, dass das eigene Geld nur aufgrund fremder Schulden existiert. Daher greift der menschliche Geist zu einem vertrauten Schutzmechanismus: Er vertraut – selbst dann, wenn die Grundlagen dieses Vertrauens brüchig sind.

Viertens wird bei den meisten Kantonalbanken durch die Garantie des Kantons für seine Bank eine Sicherheit behauptet, die in der Realität bei grösseren Kantonalbanken wie der ZKB wohl kaum vorhanden ist. Bei kleineren Kantonalbanken auf Kosten der Steuerzahler dagegen schon.

Damit entsteht eine kollektive Illusion der Sicherheit, die im Alltag hilfreich, im Krisenfall jedoch gefährlich ist. Denn Sicherheit, die auf Annahmen basiert, bricht schneller weg als Sicherheit, die auf Substanz beruht.

3.4. Wie belastbar sind Bankenrettungen? Die stille Grenze des Machbaren

In der Schweiz wurden in der Vergangenheit zahlreiche angeschlagene Banken erfolgreich gerettet – sei es durch Fusionen, stille Sanierungen, Übernahmen oder staatliche Garantien. Solche punktuellen Eingriffe sind politisch und finanziell verkraftbar. Doch sie vermitteln ein Bild, das trügerisch ist: Die Rettungsfähigkeit wirkt stabiler, als sie in Wirklichkeit ist.

Denn eine Rettung funktioniert nur, wenn sie selten notwendig ist. Sobald mehrere Banken gleichzeitig unter Stress geraten, verschiebt sich die politische und ökonomische Realität dramatisch. Die erforderlichen Summen steigen exponentiell, nicht linear. Jeder zusätzliche Rettungsfall verstärkt die Belastung für Staat und SNB, vermindert die Glaubwürdigkeit der Garantien und erhöht die systemische Unsicherheit.

Es existieren drei Grenzen der Rettungsfähigkeit:

  1. Fiskalische Grenze: Der Bund kann nicht beliebig Schulden aufnehmen, ohne seine Bonität zu gefährden.

  2. Bilanziellen Grenze: Auch die SNB kann zwar Geld schöpfen, aber nicht ohne die Stabilität des Frankens zu riskieren.

  3. Politische Grenze: Ab einer gewissen Dimension fehlt der gesellschaftliche Rückhalt für grosse Rettungsaktionen.

Die zentrale Frage lautet daher: Wer rettet die Retter, wenn das System als Ganzes ins Wanken gerät?
Die Antwort ist unbequem – denn im Kern gibt es niemanden, der ein systemweites Versagen vollständig abfangen könnte.

3.5. Die 100’000-CHF-Einlagensicherung – Sicherheit für kleine Sparer, Risiko für die Wirtschaft

Die Schweizer Einlagensicherung garantiert pro Bank und pro Kunde maximal CHF 100’000. Dieser Schutz stärkt das Vertrauen und verhindert, dass kleine Sparer sofort in Panik geraten. Doch er enthält einen strukturpolitischen Zielkonflikt, der in grossen Krisen gefährlich werden kann.

Denn Unternehmen halten typischerweise beträchtlich höhere Beträge auf ihren Konten: für Löhne, Lieferanten, laufende Kosten, Materialbestellungen oder Investitionen. Fällt eine Bank aus, sind sämtliche Beträge oberhalb der 100’000-CHF-Grenze Teil der Konkursmasse – und damit akut gefährdet.

In einer grösseren Krise hätte dies weitreichende Folgen:

  • Firmen verlieren in Sekunden ihre Liquidität.

  • Zahlungsstopps und Lieferkettenprobleme breiten sich aus.

  • Insolvenzen nehmen zu, nicht wegen schlechter Geschäftsmodelle, sondern wegen eingefrorener Konten.

  • Der wirtschaftliche Schaden übersteigt den Bankenschaden um ein Vielfaches.

Damit entsteht ein paradoxes Ergebnis: Das System schützt die privaten Kleinsparer, destabilisiert aber im Ernstfall die Realwirtschaft.
Ein Sicherheitsnetz mit grossen Lücken – sichtbar erst dann, wenn es wirklich gebraucht wird.

3.6. Unterkapitel zur Vollgeld-Initiative

Die Vollgeld-Initiative zielte darauf ab, das Grundproblem der Kreditabhängigkeit der Guthaben zu lösen. Ihr zentrales Anliegen war die Abkoppelung des Zahlungsverkehrsgeldes von den Kreditrisiken der Banken. Statt Buchgeld der Banken sollte ausschliesslich die SNB das gesetzliche Zahlungsmittel schaffen. Vollgeld-Bankguthaben wären damit nicht mehr Forderungen gegenüber einzelnen Instituten, sondern risikoloses, direktes Zentralbankgeld.

Die Initiative wurde abgelehnt – und dies aus verschiedenen Gründen: es wurde behauptet sie sei: zu radikal, technisch komplex, politisch wenig greifbar. Doch die Problemanalyse war nicht falsch. Sie machte sichtbar, dass das heutige System strukturelle Schwächen hat, die mit herkömmlichen Mitteln schwer zu beheben sind.

Auch wenn Vollgeld in seiner damaligen Form politisch gescheitert ist, bleibt seine Grundfrage relevant:
Wie schaffen wir ein Geld, das unabhängig von Kreditrisiken stabil bleibt?
Diese Frage begleitet nahezu alle aktuellen Reformideen.

3.7. Alternativen und Lösungswege

Die Analyse zeigt deutlich: Die Sicherheit von Geldguthaben ist im heutigen System untrennbar an die Stabilität der Banken und die Zahlungsfähigkeit ihrer Kreditnehmer gebunden. Wenn dieses Fundament wankt, geraten nicht nur einzelne Konten, sondern ganze Volkswirtschaften in Gefahr. Daraus ergibt sich die entscheidende Frage: Wie lässt sich ein Geldsystem robuster gestalten, ohne seine Funktionsfähigkeit zu gefährden?
Mehrere Lösungsansätze stehen im Raum – manche pragmatisch, manche tiefgreifend, manche experimentell.

3.7.1. Stärkung der Eigenkapitalbasis der Banken

Eine klassische, aber begrenzt wirksame Massnahme besteht darin, Banken zu verpflichten, mehr Eigenkapital zu halten. Je grösser der Eigenkapitalpuffer, desto besser sollen Kreditverluste aufgefangen werden, ohne dass Einleger gefährdet sind. Die Schweiz hat bereits etwas höhere Anforderungen, doch auch diese reichen in systemischen Stressphasen nicht aus.

Vorteil: höhere Stabilität ohne Grundstrukturänderung.
Nachteil: geringere Kreditvergabe, potenziell höhere Finanzierungskosten, politische Widerstände.

Eigenkapital ist die einfachste, aber nicht die alleinige Lösung.

3.7.2. Trennung von Kredit- und Zahlungsverkehr (Narrow Banking)

Ein moderner Ansatz ist die strukturelle Trennung zweier Funktionen, die heute vermischt sind:

  • Zahlungsverkehr (sicher, liquiditätskritisch)

  • Kreditvergabe (risikobehaftet, volatil)

Im sogenannten Narrow Banking würden Kundenguthaben zu 100 % durch sichere Aktiven – beispielsweise SNB-Guthaben – gedeckt. Banken könnten weiterhin Kredite vergeben, aber die direkte Verbindung zwischen Krediten und Einlagen wäre nicht mehr vorhanden. Damit entfällt das Kernrisiko des heutigen Systems: dass Ausfälle auf der Aktivseite Kundenguthaben gefährden.

Vorteil: sehr hohe Sicherheit der Einlagen.
Nachteil: fundamentale Veränderung der Bankstruktur; Übergang wäre komplex.

Dieser Ansatz will zwei Systeme parallel betreiben, Buchgeld und Vollgeld, adressiert aber dasselbe Kernproblem.

3.7.3. Staatlich garantiertes digitales Zentralbankgeld (CBDC)

Ein weiterer Lösungsansatz, der derzeit international intensiv diskutiert wird, ist ein Digitaler Schweizer Franken (e-CHF), der direkt bei der SNB gehalten wird. Solches Geld wäre risikofrei, da keine Geschäftsbank dazwischengeschaltet wäre.

Ein CBDC könnte z. B. genutzt werden für:

  • grössere Unternehmensguthaben,

  • den Zahlungsverkehr zwischen Firmen,

  • kritische Infrastrukturzahlungen (Löhne, Steuern, Lieferketten),

  • sichere Wertaufbewahrung ohne Kreditrisiko.

Vorteil: stabile Alternative, ohne bestehende Banken vollständig zu verdrängen.
Nachteil: politisch heikel, da Banken einen Teil ihrer Einlagenbasis verlieren könnten.

CBDC ist ein evolutionärer, nicht revolutionärer Weg – und könnte die Sicherheit des Geldes signifikant erhöhen. Es gibt aber grosse Vorbehalte in Bezug auf den Datenschutz und die Möglichkeiten zur Verknüpfung mit anderen Daten wie auch Einschränkungen der Verwendbarkeit.

3.7.4. Dezentralisierte und technologische Ansätze

Blockchain-basierte Systeme, Stablecoins oder tokenisierte Vermögenswerte werden oft als Alternativen genannt. Ihre Stärken liegen in Transparenz, programmierbaren Garantien und der Unabhängigkeit einzelner Institutionen. Doch sie bringen ebenfalls Risiken mit: starke Kursschwankungen, technische Unsicherheiten, fehlende rechtliche Klarheit.

Ein systemkritischer, aber realistischer Blick zeigt:

  • Dezentrale Systeme können Ergänzungen sein,

  • aber sie können die Stabilität eines staatlichen Währungssystems nicht vollständig ersetzen.

  • Die Abhängigkeit von Technologie und Energie ist sehr hoch.

Sie sind Werkzeuge – keine Allheilmittel.

3.7.5. Realistische Kombinationen: Evolution statt Revolution

Die wahrscheinlichsten Lösungen liegen nicht in einer einzigen grossen Reform, sondern in einer Kombination aus Massnahmen:

  • moderate Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen,

  • schrittweise Einführung sicherer Zahlungsverkehrskonten,

  • selektive Nutzung eines digitalen Zentralbankfrankens,

  • gezielte Stärkung der Einlagensicherung,

  • und technologische Ergänzungen dort, wo sie echte Vorteile bringen.

Diese evolutionäre Strategie hat einen entscheidenden Vorteil: Sie ist politisch machbar und reduziert systemische Risiken, ohne das Finanzsystem abrupt umzubauen.

Am Ende geht es nicht darum, ein perfektes System zu schaffen – sondern ein robusteres, das weniger abhängig ist von der Rückzahlungsfähigkeit einzelner Kreditnehmer und nicht schon durch mittlere Erschütterungen ins Wanken gerät.

4. Schlussfolgerung und Ausblick

Das moderne Geldsystem ist ein hochentwickeltes, aber fragiles Konstrukt. Es basiert auf Kreditbeziehungen, deren Stabilität wiederum von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, Vertrauen und regulatorischen Rahmenbedingungen abhängt. Die Bilanzlogik zeigt: Jeder Franken Guthaben ist gleichzeitig ein Franken Schuld. Dieses fundamentale Prinzip macht das System effizient – aber auch anfällig für Kettenreaktionen, wenn zu viele Schuldner gleichzeitig in Schwierigkeiten geraten oder das Vertrauen in die Banken schwindet.

Die Schweiz verfügt zwar über ein robustes Bankensystem, strenge Regulierung und eine starke Zentralbank, doch die Analyse des Banken- und Geldsystems zeigt, dass Stabilität keine Selbstverständlichkeit ist. Sie muss fortlaufend erzeugt werden – durch Aufsicht, durch glaubwürdige Rettungsmechanismen und durch das Vertrauen der Bevölkerung. Die 100'000-CHF-Einlagensicherung schützt kleine Sparer, lässt aber grössere Guthaben und die Liquidität der Unternehmen im Krisenfall weitgehend ungeschützt. Das Risiko ist nicht primär individuell, sondern volkswirtschaftlich: In einer schweren Bankenkrise könnte der Wirtschaft kurzfristig massiv Liquidität entzogen werden – mit entsprechend gravierenden Folgen.

Gleichzeitig zeigen historische Erfahrungen, dass einzelne Banken meist gerettet werden können. Doch wenn viele Institute gleichzeitig betroffen wären, stösst selbst ein starkes Land wie die Schweiz an die Grenzen der finanziellen und politischen Machbarkeit. Bankenrettungen lösen nur dann Vertrauen aus, wenn sie glaubwürdig sind – und ihre Glaubwürdigkeit sinkt, je systemischer die Krise wird.

Daraus ergibt sich eine zentrale Erkenntnis: Die Frage ist nicht, ob das System verändert werden muss, sondern wie weit und in welchem Tempo. Reformen wie höhere Eigenkapitalanforderungen, Narrow-Banking-Ansätze oder ein digitaler Zentralbankfranken sind keine theoretischen Übungen, sondern konkrete Antworten auf reale Schwachstellen. Keine dieser Lösungen ist perfekt, doch jede trägt dazu bei, die Abhängigkeit von der Kreditfähigkeit einzelner Marktteilnehmer zu reduzieren und die Sicherheit der Geldhaltung zu erhöhen.

Der Ausblick ist zweigeteilt: Einerseits bleibt das bestehende System vorerst funktionsfähig – solange Wachstum, Vertrauen und staatliche Stützungsmechanismen zusammenwirken. Andererseits steigt der Druck, strukturelle Weichenstellungen vorzunehmen, bevor die nächste grosse Krise diese erzwingt. Ein zukunftsfähiges Geldsystem muss die Vorteile der heutigen Kreditökonomie bewahren, aber gleichzeitig robuster werden gegenüber Schocks, Fehlanreizen und systemischen Erschütterungen.

Am Ende geht es nicht um Ideologie, sondern um Resilienz. Die Schweiz hat die Möglichkeit, ihr Geldsystem frühzeitig zu modernisieren und dadurch sowohl die Stabilität als auch das Vertrauen in den Schweizer Franken nachhaltig zu stärken. Der Zeitpunkt dafür ist günstig – denn Reformen gelingen am besten in ruhigen Zeiten, nicht im Auge des Sturms.

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Vertrauen ist zentral für das Geldsystem

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Demografie und Geldsystem