Zentralbankgeld vs. Buchgeld – Wer schafft unser Geld wirklich?
1. Einleitung
Gehört Ihr Geld wirklich Ihnen?
Wenn Sie ein 100-Franken-Schein in der Hand halten, würde Sie wahrscheinlich sagen: „Ja, klar.“ Und wenn Sie denselben Betrag auf Ihrem Bankkonto sehen? Wahrscheinlich ebenfalls. Doch genau hier beginnt eine der größten Illusionen unseres modernen Geldsystems.
Denn nicht alles, was wir „Geld“ nennen, ist gleich. Hinter dem Begriff verbergen sich zwei grundlegend unterschiedliche Formen: Zentralbankgeld und Buchgeld. Beide tragen denselben Zahlenwert, beide können – zumindest indirekt – zum Bezahlen verwendet werden. Aber nur das eine ist echtes „gesetzliches Zahlungsmittel“. Das andere ist ein Versprechen, keine Realität.
Warum ist das wichtig? Weil unser gesamtes Finanzsystem auf diesem Unterschied aufbaut. Wer die Grundlagen nicht kennt, wird kaum verstehen können, warum Banken „Geld schaffen“, wieso es Finanzkrisen geben kann oder weshalb in der Schweiz über die Vollgeld-Initiative abgestimmt wurde.
Dieser Artikel nimmt Sie mit hinter die Kulissen des Geldsystems. Sie erfahren, was Zentralbankgeld wirklich ist, wie Buchgeld entsteht – und warum das, was auf Ihrem Konto steht, kein echtes Geld im rechtlichen Sinn ist. Am Ende könnten Sie Geld mit anderen Augen sehen.
2. Hauptteil
2.1 Was ist Zentralbankgeld?
Zentralbankgeld umfasst zwei Formen: Bargeld (Münzen und Banknoten) sowie Zentralbankreserven, also Guthaben von Geschäftsbanken bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Beide gelten als „sicher“ – nicht zuletzt, weil sie von der Notenbank selbst emittiert werden.
Im Alltag begegnet uns fast nur das Bargeld. Es ist das einzige gesetzliche Zahlungsmittel, das jede Person in der Schweiz annehmen muss. Zentralbankreserven hingegen sind nur im Interbankenverkehr relevant – sie dienen der Abwicklung von Zahlungen zwischen Banken.
Oft wird Zentralbankgeld als „schuldfreies“ Geld bezeichnet. Doch das ist nicht ganz korrekt: Auch Zentralbankgeld ist letztlich ein Anspruch gegenüber der Nationalbank. Wer Bargeld besitzt, hält eine Verbindlichkeit der SNB in der Hand. Der Unterschied liegt jedoch im Vertrauen: Die SNB kann faktisch nicht pleitegehen – sie ist der monetäre Anker der Volkswirtschaft.
2.2 Was ist Buchgeld?
Buchgeld – oder Giralgeld – ist das, was die meisten Menschen meinen, wenn sie von ihrem „Geld“ sprechen. Es entsteht durch einen simplen Buchungssatz: Immer wenn eine Bank einen Kredit vergibt, schreibt sie den entsprechenden Betrag dem Konto des Kunden gut. Buchgeld entsteht durch Kreditvergabe – aus dem Nichts, buchhalterisch betrachtet.
Der Clou: Dieses Geld ist kein gesetzliches Zahlungsmittel. Es ist ein Forderungsrecht des Kontoinhabers gegenüber der Bank. Man besitzt das Geld nicht direkt, sondern hat Anspruch darauf, dass die Bank es auszahlt – in Zentralbankgeld.
Solange das Vertrauen in die Bank besteht, funktioniert dieses System reibungslos. Doch bei einer Bankenkrise oder einem „Bank Run“ zeigt sich: Buchgeld ist nur so viel wert wie die Zahlungsfähigkeit der Bank.
2.3 Die Illusion des „eigenen“ Geldes
Viele Menschen denken, das Geld auf ihrem Konto gehöre ihnen wie ein physischer Gegenstand. Doch in Wirklichkeit ist es rechtlich eine ungesicherte Forderung. Wer 10’000 CHF auf dem Konto hat, besitzt nicht 10’000 Franken – sondern einen Anspruch auf Auszahlung dieses Betrags in Zentralbankgeld.
Im Unterschied dazu ist Bargeld „Inhabergeld“ – es gehört dem, der es physisch besitzt. Diese Unterscheidung ist nicht nur juristisch bedeutsam, sondern hat tiefgreifende Konsequenzen: Nur eine Form des Geldes (Bargeld) ist vollständig risikofrei, die andere (Buchgeld) basiert auf Vertrauen in privatwirtschaftliche Institute.
Die psychologische Wirkung ist dennoch stark: Ein Kontoauszug vermittelt Sicherheit, Verfügbarkeit, Kontrolle. In Wahrheit ist das Guthaben aber Teil einer Bankbilanz – auf der Passivseite.
2.4 Die Vollgeld-Initiative: Ein radikaler Vorschlag
Die schweizerische Vollgeld-Initiative, über die 2018 abgestimmt wurde, nahm genau diesen Unterschied ins Visier. Ihr Ziel: Die Trennung von Geldschöpfung und Kreditvergabe.
Gemäss der Initiative sollte künftig nur noch die SNB Geld schaffen dürfen – auch Buchgeld. Geschäftsbanken wären gezwungen, echte Kundengelder weiterzuverleihen statt selbst neues Geld zu erzeugen. Dadurch, so die Argumentation, würde das Finanzsystem stabiler und demokratischer.
Die Initiative scheiterte deutlich, aber sie hat die Debatte um die Macht der Banken und die Struktur des Geldsystems belebt. Bis heute ist sie ein Lehrstück dafür, wie wenig die Bevölkerung über das Wesen des Geldes weiss – und wie sehr Banken von dieser Unkenntnis profitieren.
3. Schlussfolgerung und Ausblick
Wir leben in einem zweigeteilten Geldsystem: Einerseits Zentralbankgeld, das staatlich kontrolliert und weitgehend risikoarm ist. Andererseits Buchgeld, das in privaten Bankbilanzen entsteht – durch Kreditvergabe, ohne direkte Kontrolle der Nationalbank.
Beide Geldformen funktionieren – solange Vertrauen herrscht. Doch in Krisenzeiten zeigt sich, wie fragil das System sein kann. Wer glaubt, sein Kontoguthaben sei „sicher“, irrt sich – denn rechtlich gesehen ist es nur ein Versprechen. Die wichtigste Währung bleibt also das Vertrauen.
Fragen Sie sich selbst – und Ihre Freunde: Wissen Sie wirklich, was Geld ist?
Sprechen Sie darüber, stellen Sie Fragen, hinterfragen Sie Gewissheiten. Denn nur wer die Grundprinzipien versteht, kann mitreden – in Debatten über Finanzreformen, Bankenregulierung und künftige Geldpolitik.
Im nächsten Artikel dieser Reihe geht es um die spannende Frage: Wie entsteht Geld eigentlich – und wer profitiert davon?