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Sichere Zahlungskonten statt politische Feinsteuerung

Sichere Zahlungskonten statt politische Feinsteuerung

Zusammenfassung

Um der Instabilität des Bankensystems zu begegnen, kann zwischen folgenden Möglichkeiten gewählt werden. 

1. Mehr Regulierung zur Reduktion des Risikos

2. Vom Prinzip her sichere Zahlungskonten. 

Sicherheit durch Regulierung kann es im bestehenden System dauerhaft nur auf dem Papier, nicht aber in der Realität geben. Es ist inhärent instabil (1). Daher braucht es sichere Zahlungskonten.

Ausgangslage

In der aktuellen Diskussion um die Bankenkrise werden insbesondere zwei mögliche Strategien diskutiert: Einerseits eine Erhöhung des Eigenkapitals, andererseits die Einführung eines Trennbankensystems. Beide Ansätze könnten die Sicherheit und Stabilität des Bankensystems bestenfalls marginal erhöhen – aber die grundlegende Gefahr eines Bank Runs lässt sich damit nicht beseitigen. Denn beide Ansätze zielen «nur» auf ein optimiertes Mikromanagement eines strukturell instabilen Systems, nicht aber auf die Lösung des Problems an sich. Anstatt sich in nervenaufreibenden Grabenkämpfen um die Feinsteuerung zu verlieren, sollte sich die Debatte daher auf das Wesentliche konzentrieren: die Reduktion systemischer Risiken im Finanzsystem. 

Sichere Zahlungskonten für alle

Als einzige Möglichkeit, Bank Runs langfristig und dauerhaft zu vermeiden und die Risiken vollständig vom Steuerzahler fernzuhalten, bleibt einzig der Rückgriff auf eine vollständige Trennung der Einlagen vom Kreditgeschäft (2).

Das grundlegende Problem besteht in einer aus rechtlicher Sicht völlig unverständlichen Situation: Wenn heute der Lohn eines Arbeitnehmers auf ein Bankkonto überwiesen wird, so gehen wohl die meisten Leute davon aus, dass das Geld ihnen, dem Einleger respektive der Einlegerin, gehöre. Das stimmt aber nur bedingt, denn gleichzeitig werden diese Einlagen zu einem Bestandteil der Bank und gehören zur Konkursmasse der Bank (3). Die Lösung dieses Problems liegt eigentlich auf der Hand: Die Banken sollten die Einlagen nur noch treuhänderisch, d.h. ausserhalb der Bankbilanz, verwalten.

Es sollte dem Kunden ermöglicht werden, dass er sein Geld auf ein «Sicheres Konto» überweisen bzw. einzahlen kann. Dieses Konto würde keinen grossen Verwaltungsaufwand benötigen, die Gebühren (4) darauf wären somit bescheiden. Wenn der Kunde einen Zins wünscht, kann er sein Geld auf ein Konto der Bank überweisen, welches wie heute Bestandteil der Bankbilanz ist und auf welchem Geld nur unter klar definierten Bedingungen abgehoben werden können. Diese Mittel kann die Bank dann ausleihen und damit arbeiten. Ob die Kunden von einem «Sicheren Konto» Gebrauch machen, sollte ihnen überlassen werden. Aber mindestens sollten alle die Möglichkeit haben, frei zu entscheiden. Vorschläge in diese Richtung haben neben der Vollgeld-Initiative auch renommierte Schweizer Ökonomen gemacht, darunter Dirk Niepelt (5) und Aleksander Berentsen (6).

Organisatorische Varianten sicherer Zahlungskonten

  • Banken, welche die Konten ihrer Kunden treuhänderisch verwalten

  • Banken, welche die Konten ihrer Kunden durch 100% Reserven bei der Nationalbank absichern (Chicago Plan / 100% Money)

  • Retail Central Bank Digital Currency (digitales Zentralbankgeld für alle)

  • Eine Organisation, die keinerlei Kredit vergibt und sich auf den Zahlungsverkehr beschränkt


Weshalb ein höheres Eigenkapital nicht die Lösung ist

Die Erfahrung mit der CS hat gezeigt, dass auch ein Eigenkapital, welches den regulatorischen Vorschriften entspricht, einen Bank Run nicht ausschliessen kann. Nach der Finanzkrise 2008 wurden die Vorschriften zwar etwas verschärft und umfangreiche, differenzierte Vorgaben erlassen. Dies geschah ab 2013 mit der Eigenmittelverordnung (ERV) (7). Mittlerweile ist die 17. Version der Eigenmittelverordnung mit einem Umfang von 80 Seiten in Kraft. Von Fachleuten wurde schon früher eine ungewichtete Eigenkapitalquote von 20 – 30 Prozent ins Spiel gebracht, eine Forderung, die inzwischen auch von bürgerlichen Politikern unterstützt wird.

Das regulatorisch notwendige Eigenkapital wird mit komplexen Vorgaben berechnet. Wie viel Eigenkapital nötig ist, hängt im wesentlichen von der Bilanzstruktur ab. Dabei werden unterschiedliche Gewichtungsfaktoren für Ausleihungen verwendet. Je nach dem erwarteten Kreditrisiko. 

Ein höheres Eigenkapital würde die Sicherheit der Banken zwar erhöhen, aber ein Bank Run kann damit nicht ausgeschlossen werden. Denn nach wie vor wäre «Vertrauen» eine notwendige Voraussetzung dafür, dass der Einzelne seinen Lohn auf ein Bankkonto überweisen lässt und er seine Ersparnisse dort deponiert. Und je komplexer die Regulierung, desto stärker wird in die Handlungsfreiheit der Banken eingegriffen, was an sich nicht Sache des Staates ist. Die Aufgabe des Staates besteht nur darin, die Sicherheit und Stabilität des Geldes zu garantieren. Dies kann – wie oben gezeigt wird – auf andere Weise einfacher und besser erreicht werden.

Weshalb mehr Liquidität nicht die Lösung ist

Neben höherem Eigenkapital wird, zwar eher seltener, auch eine bessere Ausstattung der Banken mit Liquidität gefordert. Dies soll sicherstellen, dass die Kunden jederzeit über ihre Einlagen verfügen können. In der Schweiz wird dieses Thema in der Liquiditätsverordnung (LiqV) (8) geregelt. Dort sind die Kriterien und Modelle beschrieben, unter denen eine Bank als liquide gilt. Diese Kriterien waren es auch, die der FINMA und der SNB als Massstab dien-ten, die Credit Suisse bis zum Schluss als sicher und liquide zu bezeichnen.

So «würden» gemäss den Berechnungs-Modellen normale Privat-kunden im Krisenfall inner-halb von 30 Tagen «nur» 5% ihrer Einlagen abziehen. Wenn sich die Kunden aber nun nicht an die Berechnungs-Modelle halten, geht die Rechnung eben nicht mehr auf. Dann fällt das Kartenhaus in sich zusammen.

Ein Teil der Liquidität muss in Form von High Quality Liquid Assets (HqlA) gehalten werden. Dies sind vor allem Staatsanleihen. Da die Staatsverschuldung in der Schweiz relativ gering ist, können teilweise auch Staatsanleihen in anderen Währungen gehalten werden. Wenn nun die Nationalbanken die Zinsen erhöhen, entstehen Buchverluste auf Anleihen. Dies gilt es ebenfalls zu berücksichtigen. Es entsteht ein neues Spannungsfeld zwischen einer ev. nötigen Zinserhöhung, die aber das Eigenkapital der Banken direkt tangieren würde.

Weshalb auch ein Trennbankensystem nicht die Lösung ist

Ein Trennbanksystem bedeutet, dass es mehrere Arten von Banken gibt:

- Einerseits Geschäftsbanken, deren Aufgabe es ist, den allgemeinen Zahlungsverkehr abzuwickeln und die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen.

Anderseits Investmentbanken, die alle Arten von Wertpapiergeschäften abwickeln, selbst Beteiligungen halten und so wesentlich höhere Risiken eingehen.

Mit Trennbanken wurden ab 1933 in den USA umfangreiche Erfahrungen gesammelt. 1999 wurde die Trennbankenverordnung aber aufgehoben und erst in letzter Zeit wieder vermehrt diskutiert.

Der zentrale Mangel dieses Systems besteht darin, dass es nicht dazu geeignet ist, systemische Risiken zu eliminieren (9). Das heisst, dass auch in einem Trennbankensystem für Geschäftsbanken umfangreiche Regulierungen erforderlich sind und zukünftige Bankenrettungen mit Steuergeldern, sowohl der Investment- als auch Geschäftsbanken, erforderlich bleiben. Ein Trennbankensystem einzuführen und dann zu glauben, das Finanzsystem sei sicherer, wäre ein gefährlicher Trugschluss.

Fazit

Die Politik kann nun entscheiden, ob sie die Regulierung (Eigenkapital, Liquidität, Trennbanken, etc.) ausbauen oder ob sie den Bürgern ein sicheres Prinzip als Lösung anbieten will. Und es sei nochmals gesagt: Eine Regulierung funktioniert nur, wenn Annahmen und Modelle die Realität vernünftig abbilden und die Umgehung prinzipiell nicht möglich ist.

Diesen Beitrag als PDF finden Sie hier

Autoren: Dr. Reinhold Harringer, Ewald Kornmann, Maurizio Degiacomi
Bild: Diana Parkhouse


Fussnoten: 

(1) Siehe Artikel von Dirk Niepelt, NZZ vom 22.03.2023: Der Finanzplatz Schweiz steuert auf eine Verstaatlichung der UBS zu

(2) Siehe Artikel von Martin Wolf, Financial Times vom 20.03.2023: Four ways to fix the bank problem

(3) Über diese mehr als seltsame Situation gibt es eine umfassende Analyse aus rechtlicher und historischer Sicht: Jesus Huerta de Soto; Geld, Bankkredit und Konjunkturzyklen, Stuttgart 2011, S.1 - 115

(4) Bei Postfinance betragen die Gebühren eines normalen Kontos Fr. 5.– pro Monat.

(5) Dirk Niepelt (2017): Die Vollgeld-Initiative und eine Alternative. Festschrift zu Ehren von Ernst Baltensperger.

(6) Siehe wwz.unibas.ch/de/wirtschaftstheorie/

(7) Siehe www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2012/629/de

(8) Siehe www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2012/883/de

 (9) siehe www.avenir-suisse.ch/ein-trennbankensystem-macht-das-finanzsystem-nicht-sicherer/ 

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