Missverständnisse zur Inflation
Beim Wort Inflation reagieren manche Politiker mit einem Reflex, der sofort nach einer Zinserhöhung ruft. Ist dies aber das richtige Mittel gegen Inflation? Gibt es ev. unterschiedliche Ursachen die zu Preiserhöhungen, und damit zu Inflation, führen können?
Auf dieses Thema soll im Folgenden etwas näher eingegangen werden.
Die Ausgangslage der Schweiz stellt sich aus unserer Sicht folgendermassen dar:
Die Produkt-Preise sind höher als in den umliegenden Ländern (Preisinsel), was dazu führt, dass Lieferanten zu diesen höheren Preisen gerne in die Schweiz liefern. Gleichzeitig sind viele Kapazitäten nicht voll ausgelastet, Kunden können also zu gleichen Preisen den Lieferanten wechseln. Ein Beispiel sind Tankstellen. Diese erhöhen und senken oft zufällig innerhalb kurzer Zeit ihre Preise. Absprachen sind verboten, Abschauen dagegen nicht. Wenn sie dies nicht tun würden, könnten die Kunden sich angewöhnen die Preise zu vergleichen und der dann teuerste würde weniger verkaufen. Preistransparenz kann also zu tieferen Preisen führen. Ausser es würde ein Oligopol mit Preisabsprachen vorliegen. Aber dazu haben wir ja einen Preisüberwacher, der dies sicher verhindern würde...
Knappheit als Ursache:
Produkte die nur begrenzt verfügbar sind, können zu einem höheren Preis verkauft werden. Dies zumindest so lange wie die Nachfrage vorhanden ist und die Nachfrager auch über genügend Kaufkraft verfügen. Beispiele dafür sind z.B. gewisse Schweizer Uhren oder Luxusautos. Ganz Transparent ist dieser Effekt bei Versteigerungen zu beobachten.
Im letzten Jahrhundert traf die Knappheit aber auf viel mehr Produkte als heute zu. Für ein Auto betrug die Lieferzeit z.T. deutlich länger als 1 Jahr. Auch bei Automarken die höhere Volumen herstellten wie VW, Audi, BMW, Mercedes. In so einem Umfeld führt dann eine breite Lohnerhöhung zu einer höheren Kaufkraft bei weiter begrenztem Angebot. Gleichzeitig sind für die Hersteller durch die Lohnerhöhungen die Produktionskosten gestiegen. Dies nennt man Lohn-Preis Spirale.
In diesem Umfeld können die Preise also erhöht werden ohne dass Kunden abwandern können, denn sie haben keine alternativen Lieferanten zum Ausweichen.
Veränderte Lieferketten als Ursache:
In den letzten Jahrzehnten wurden viele Industriearbeitsplätze aus Ländern mit hohen Lohnkosten, wie der Schweiz, in Länder mit niedrigeren Löhnen, wie z.B. Osteuropa oder Asien, verlagert. Dies führte oft zu sinkenden Produktpreisen für den Endkunden. Durch diesen Effekt konnten bessere, grössere Produkte zu gleichen oder tieferen Kaufpreisen erworben werden. Dadurch hatten wir in den letzten Jahrzehnten eine tiefere Inflation als wir sie ohne die Verlagerung von Arbeitsplätzen gehabt hätten.
In der aktuellen Situation sind nun einige über die Jahre stabile Lieferketten aus dem Gleichgewicht gekommen. Als Beispiele nenne ich hier z.B. Elektronikkomponenten aus Asien, Zulieferteile aus China, Rohstoffe aus Russland usw. Ersatzlieferungen sind zu höheren Preisen teilweise möglich. Wir sehen hier also eine Kombination aus Knappheit und dadurch veränderten Lieferketten.
Die Kostenstruktur eines Produktes hat sich also verändert. Der Produzent gibt seine gestiegenen Kosten über eine Preiserhöhung an die Kunden weiter. Deshalb steigen bei uns gerechtfertigterweise die Preise.
Kann durch eine Erhöhung der Zinsen in der Schweiz die importierte Inflation beeinflusst werden?
Da in der Schweiz der grösste Teil der vergebenen Kredite Hypotheken sind, ist ein Zusammenhang nicht sofort erkennbar. Die momentan sehr stark wahr genommenen steigenden Preise betreffen den Energiebereich. Gas, Öl und Strom haben ihre Preise seit letztem Jahr sehr stark erhöht. Bei diesen Produkten bewirkt ein höherer Zins in diesem Fall aber herzlich wenig.
Bei Getreiden wie Weizen, Dinkel usw. sind die Weltmarktpreise für kurzfristige Lieferungen ebenfalls stark gestiegen. Weil die Ukraine und Russland als Lieferanten teilweise ausgefallen sind. Eine Leitzinserhöhung in der Schweiz ändert hier ebenfalls wenig.
Es liessen sich noch viele weitere Produkte aufzählen die gestiegene Preise haben und bei denen der Zins nur eine unbedeutende Rolle spielt.
Aus diesem Grund ist es fraglich, wie die SNB die Inflation kurzfristig beeinflussen will, wenn es ganz andere Ursachen gibt.
Eine Zinserhöhung in der Schweiz nützt den Banken, ohne dass sich ihre Kostenstruktur geändert hätte. Man kann also annehmen, dass es nur um kurzfristige Profitoptimierung geht.
Und Teile der Politik springen auf dieses Thema auf, weil sie scheinbar die Mechanismen hinter Preiserhöhungen nicht richtig verstanden haben. Der Reflex Inflation kann nur mit Zinserhöhungen bekämpft werden, wirkt also weiterhin.