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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Auszug aus dem Buch "Wie funktioniert die Welt? 50 Fragen unserer Zeit" von Albin Meyer, erschienen 2021 im Verlag TWENTYSIX (ISBN-13: 9783740716691), mit freundlicher Genehmigung des Autors

Wie wird Wohlstand gemessen?

Bei politischen Debatten höre ich immer wieder das Wort „Wohlstand“ in Kombination mit der Frage, wie dieser zu vergrößern sei. Aber mich dünkt, dass dieser Begriff sehr schwammig definiert ist. Je nach Zeitalter und Kultur verstehen die Menschen etwas völlig anderes darunter. Der Ökonom Eric Beinhocker befasste sich in seinem Buch „The Origin of Wealth“ intensiv mit diesem Thema. Ebenfalls bekannt ist das Werk „The Value of Everything“ von Ökonomieprofessorin Mariana Mazzucato. Sie definiert den Begriff „Wert“ als Prozess, der Wohlstand schafft, aber nicht mit dem Preis von Angeboten auf dem Markt verwechselt werden darf.

Grundsätzlich ist Wohlstand nicht zuverlässig quantifizierbar, denn hierzu zählen auch immaterielle Werte wie soziale Interaktionen, Kulturelles und Spirituelles, die sich unmöglich mit exakten Zahlen messen lassen. Trotzdem versuchen Ökonomen, den Wohlstand von Ländern mit Zahlen darzustellen. Dieses Vorhaben setzt einerseits eine Definition voraus und anderseits werden genügend statistische Daten benötigt.

Welche Werte sollen in die Wohlstandsberechnung einfließen? Einkommen und Vermögen? Die Anzahl an Schafen oder Schweinen im Besitz einer Person? Das Vorhandensein von Haushaltsgeräten wie Radio, TV, Kamera, Staubsauger, Kühlschrank, Herd, Mikrowelle, Waschmaschine und elektrische Brotmesser? Anzahl Quadratmeter Land? Anzahl an Sexualpartnern? Anzahl eigener Kinder? Verfügbare Freizeit?

Es gibt noch viele weitere Kennwerte, anhand welcher Wohlstand gemessen werden könnte: Die SKU (Stock Keeping Unit), welche die Anzahl erhältlicher Variationen eines Produkts bezeichnet, zum Beispiel verschiedene Joghurt-Sorten oder verschiedene Brillenmodelle? Lebenserwartung und Lebensqualität durch intakte Umwelt? Die Selbstmordrate? Human Development Index (HDI) oder dessen Nachfolger Sustainable Development Index (SDI)? Index of Sustainable Economic Welfare? Genuine Progress Indicator? Better Life Index der OECD? Der Glücksindex gemäß „World Happiness Report“? Das Brutto-Glücks-Produkt (Bruttonationalglück) Buthans?

Meistens dient das Bruttoinlandprodukt BIP (englisch GDP) als Gradmesser des Wohlstands einer Nation. Es umfasst die Summe des Wertes aller hergestellten Güter und Dienstleistungen. Da Wohlstandsvergrößerung als erstrebenswertes Ziel gilt, kümmert sich die Politik generell um ein Wachstum dieser Zahl. Dabei gerät in Vergessenheit, dass ein AKW-Super-GAU das BIP ebenfalls steigen lässt, wegen der anfallenden Aufräumarbeiten, genauso wie ein Spitalaufenthalt nach einem Verkehrsunfall. Auch Aufwände für Werbung sowie Kreditzinszahlungen an Banken fließen in die Berechnung ein. Dafür bleiben unbezahlte Tätigkeiten wie Haus- und Pflegearbeiten, Selbstversorgung sowie ehrenamtliches Engagement unberücksichtigt. Wenn ein Unternehmen den Preis eines Produkts dank effizienter Herstellung senkt, so wird das sogar durch ein Fallen des Gradmessers „bestraft“. Im Grunde genommen ist das BIP eine willkürlich definierte, abstrakte Zahl, welche nicht viel mit den Werten der Realität zu tun hat, vor allem deshalb, weil sie nicht exakt gemessen werden kann. Neuseeland hat deshalb 2019 als eine der ersten westlichen Nationen beschlossen, dass das Wachstum des BIPs kein anzustrebendes Ziel mehr sei, gefolgt von Schottland und Island.

Die Rolle der Zentralbanken bei der Geldmengensteuerung

Jeder Staat verfügt über eine Zentralbank, welche ohne Profitorientierung arbeitet und für die Stabilität der nationalen Gesamtwirtschaft sorgen muss. Die Zentralbank leiht den privaten Banken Geld aus, in Form von Banknoten und elektronischem Zentralbankgeld. Früher haben Zentralbanken die Geldmenge aktiv gesteuert. Vor der Finanzkrise 2008 machte das Zentralbankgeld jedoch nur noch 10 Prozent der Geldmenge aus. Dies reicht nicht mehr aus, um eine verlässliche Geldmengensteuerung zu gewährleisten. Heute versuchen die Zentralbanken deshalb, die Kaufkraft hauptsächlich über den Leitzins zu steuern. Dieser bestimmt den Zinssatz, zu welchem sich Banken Zentralbankgeld ausleihen können. Bei Inflation werden die Zinsen erhöht, bei Deflation gesenkt. Nach der Finanzkrise 2008 mussten die Zentralbanken negative Leitzinsen einführen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dahinter steht der Gedanke, dass die Menschen dadurch weniger sparen und ihr Geld schneller wieder ausgeben. Aber eine Leitzinssenkung alleine motiviert die Banken noch nicht, Kredite zu vergeben, zögern doch die Banken gerade in Krisenzeiten, Risiken einzugehen. So werden Zentralbanken zu weiteren Maßnahmen gezwungen, wie etwa den Banken und Investoren faule Wertpapiere oder marode Staatsanleihen abzukaufen, um wenigstens auf diese Weise zusätzliches Geld in Umlauf zu bringen, was zum Beispiel die EZB in der Eurokrise getan hat.

Um den Wechselkurs positiv zu beeinflussen, kaufen Zentralbanken bei Bedarf mit selbst geschöpftem Geld fremde Währungen auf. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) fährt seit der Finanzkrise 2008 diese Strategie, damit der Schweizer Franken nicht zu stark wird, um die Exportwirtschaft zu unterstützen. Auch wenn der Anteil des Zentralbankgelds an der gesamten Geldmenge seit der Krise massiv zugenommen hat, so fragen sich manche Ökonomen, welche Auswirkungen diese Geldschwemme langfristig haben wird.

Geld ist ein Versprechen auf einen realen Wert. Aus diesem Grund musste das Zentralbankgeld bis 1971 mit Gold hinterlegt sein. Weil aber die Zentralbankgeldmenge für das Wirtschaftswachstum stetig erhöht werden muss, war das hierfür notwendige Gold nur hinderlich. Die fixe Bindung des Goldpreises an die Währungen ließ außerdem keine Wechselkursschwankungen zu, was jedoch wichtig ist, wenn unterschiedlich starke Wirtschaftszonen miteinander handeln. Zentralbanken müssen ferner in der Lage sein, fremde Devisen zu kaufen und den Banken in Krisen „faule“ Wertpapiere abzukaufen. Eine solche Flexibilität ist mit einer Goldbindung nicht möglich. Darum wurde die Golddeckung abgeschafft und durch das Prinzip des „Fiat Money“ ersetzt. Die Zentralbanken erhielten die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Geldmenge optimal an die Wirtschaftskraft angepasst wird. Das ist jedoch heute praktisch nirgends mehr der Fall, obwohl sogar neoliberale Ökonomen wie Milton Friedman dies befürwortet hatten. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) zum Beispiel wurde 1999 durch eine Verfassungsänderung von ihrer Aufgabe, die Geldmenge zu steuern, offiziell entbunden.

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