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Negativzins - das Wundermittel das keins ist (Teil 1)

Negativzins - das Wundermittel das keins ist (Teil 1)

Teil 1: Die untere Nullzinsgrenze

Im Finanzkrisenjahr 2008 wurde der kurzfristige Basiszins der Zentralbanken in Amerika und Europa auf 0% oder nahe dieser unteren Zinsgrenze herabgesetzt. Auch die langfristigen Zinsen für Staatsanleihen erreichten bald 0–1,5%. Das war das Ende eines anhaltenden Zinsrückgangs, der um 1980 bei 15% begann. Da Zinsen an einem Markt von sich aus nicht unter die Nullzinsgrenze rutschen, war ab da für herkömmliche Geldpolitik, sprich Zinspolitik, kein Spielraum mehr vorhanden. Diese Situation war neu. Nie zuvor war das Zinsniveau so weit gefallen. Selbst in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg lagen die Zinssätze der Federal Reserve, der Zentralbank in den Vereinigten Staaten, bei über 2%.

An der unteren Nullzinsgrenze können die Zentralbanken nicht so weitermachen, wie sie es gewohnt sind, nämlich ihren Basiszins (auch Leitzins genannt) senken, wenn das allgemeine Niveau der Zinsen und Preise zurückgeht, und den Basiszins anheben, wenn das allgemeine Zinsniveau steigt. Im fortgeschrittenen Stadium einer Aufwärtsbewegung soll das die Giralgeldschöpfung der Banken und damit auch die Kreditausweitung der nicht-monetären Finanzinstitute (FI), wirtschaftliche 'Überhitzung' und eine unerwünscht hohe Verbraucherpreis-Inflation (VPI) dämpfen. Umgekehrt soll eine Verringerung des Basiszinses die Geldschöpfung und Kredit- bzw Schuldenaufnahme erleichtern, um so einen wirtschaftlichen Aufschwung und eine VPI in erwünschter Höhe zu erreichen. Im allgemeinen wird die angepeilte Inflationsrate heute bei 2–3% gesetzt.

Dieser Logik zufolge erscheint die untere Nullzinsgrenze als Ärgernis, gar als 'monetäre Paralyse'. [1] Die untere Nullzinsgrenze wird nicht als die natürliche Grenze akzeptiert, die sie ist, sondern sie wird als zu überwindendes Hindernis gesehen und einige Ökonomen haben den passenden Vorschlag dafür parat: Durchbrechen der unteren Zinsgrenze durch künstliche Auferlegung negativer Zinssätze auf Geldbesitz. [2] Wörtlich genommen hieße das, dass ein Gläubiger einem Schuldner Zins zahlt statt umgekehrt der Schuldner dem Gläubiger; genauer, im Fall des Giralgelds, das normalerweise einen geringen Habenzins oder auch keinen trägt, dass auf den positiven Kontostand eines Girokontos ein Zins an die kontoführende Bank zu zahlen ist, statt dass die Bank dem Kontoinhaber Habenzins zahlt. Der sog. Negativzins würde zum Beispiel 6% jährlich betragen, herunter gebrochen auf den täglichen Kontostand über Nacht. Die bisherigen Negativzins-Vorschläge sind nicht klar in der Frage, ob das nur für verfügbare Giroguthaben gelten soll, oder womöglich auch für Spar- und Termineinlagen.

Die Befürworter glauben, mittels Negativzins der herkömmlichen Zinspolitik wieder ein höheres Maß an Wirksamkeit zu verleihen, indem die Zinsbelastung auf Geldguthaben die Geldbesitzer zum schnelleren Geldausgeben bewegen soll (um den Negativzins zu vermeiden), was wiederum ein Nachfrage-induziertes Wachstum bewirken soll, das disinflationären oder echt deflationären Tendenzen entgegenwirken würde.

ENDNOTEN

[1] Rogoff 2017.

[2] Buiter/Panigirtzoglou 2003, Buiter 2009, Rogoff 2017.

Dieser Beitrag wurde von Prof. Dr. Joseph Huber geschrieben und zuerst auf www.vollgeld.de veröffentlicht.

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