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Über die Entwicklung moderner Zentralbankpolitik

Über die Entwicklung moderner Zentralbankpolitik

Die Theorie moderner Zentralbankpolitik geht auf die Werke von Thornton (1802)Bagehot (1898) und Wicksell (1898)zurück. Ulrich Bindseil, Generaldirektor für Marktgeschäfte der Europäischen Zentralbank (EZB), beschreibt in Bindseil (2014) die Entwicklung der Geldpolitik seit dem 19. Jahrhundert. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, eine Zentralbank würde die Geldmenge bestimmen, haben bereits vor 1914 Zentralbanken den Zins und nicht die Geldmenge gesteuert. Da Geschäftsbanken Giralgeld bei einer Kreditvergabe aus dem Nichts schöpfen und die Menge an Einlagen durch die Nachfrage nach Krediten bestimmt wird, kann die Zentralbank eine vollständige Kontrolle der Geldmenge in einem modernen Geldsystem auch gar nicht durchsetzen.

In der Zeit nach 1914 wurde die Geldpolitik der meisten Zentralbanken dennoch offiziell als Geldmengensteuerung bezeichnet und von der sogenannten „Reserve Position Doctrine“ geprägt. Diese ging im Sinne der Monetaristen, einer ökonomischen Denkschule, davon aus, dass Inflation immer als ein monetäres Phänomen zu begreifen sei. Um die Inflation zu kontrollieren, bedürfe es daher einer Steuerung des Zentralbankgeldes (der sogenannte Reserven). Würde man aber tatsächlich die Geldmenge steuern, würde dies zu stark schwankenden Zinssätzen führen, wie wir im Abschnitt zum Interbankenmarkt noch lernen werden. Dies wäre für das Investitionsklima einer Volkswirtschaft fatal, weil Unternehmen unter diesen Umständen nicht einmal in der Lage wären, einzuschätzen, wie hoch die Kosten für eine Kreditaufnahme in der nahen Zukunft seien werden. Aus diesen Gründen haben Zentralbanken ihre Vorgaben für die Entwicklung der Geldmenge i.d.R. auch verfehlt. Heutzutage hat sich die Zinssteuerung auch offiziell durchgesetzt: Eine Zentralbank glättet den Zins im sogenannten Interbankenmarkt und stellt jederzeit genügend Reserven zur Verfügung, um diesen Zinssatz durchzusetzen.1

Auch der sogenannte Geldschöpfungsmultiplikator, der einen konstanten Zusammenhang zwischen Reserven der Zentralbank und Giralgeld der Geschäftsbanken unterstellt und viele Jahrzehnte lang die Standarddarstellung der Geldschöpfung in nahezu jedem makroökonomischen Lehrbuch repräsentierte, entspricht keiner realistischen Darstellung. Der Geldschöpfungsmultiplikator geht letztlich davon aus, dass Banken zunächst Einlagen oder Reserven benötigen, um einen Kredit zu vergeben. So entstand der Mythos, dass Banken Ersparnisse verleihen würden, ein Ding der Unmöglichkeit, weil die Einlagen ihrer Kunden für eine Bank ja eine Verbindlichkeit darstellen. Banken würden eine Mindestreserve der Einlagen ihrer Kunden halten und den Rest weiter verleihen und so die Giralgeldmenge vervielfachen. Merkwürdigerweise gibt es in vielen Ländern inzwischen gar keine Mindestreserve mehr, so dass nach dieser Theorie die Giralgeldmenge unendlich steigen müsste.

Moderne Zentralbanken steuern den Interbankenzins. Das Angebot der Reserven wird so angepasst, dass der Zinssatz auf dem Interbankenmarkt der Zielvorstellung entspricht. Aufgrund der nach wie vor irreführenden Darstellung des Geldschöpfungsprozesses in nahezu allen makroökonomischen Einführungslehrbüchern, begannen die Zentralbanken selbst mit verstärkter Transparenz und Kommunikation, den Geldschöpfungsprozess korrekt darzustellen. So wundert es auch nicht, dass sowohl die englische Zentralbank, die Bank of England (BoE), als auch die Bundesbank in Berichten zum monetären Transmissionsprozess einen mechanischen Zusammenhang zwischen Giralgeldmenge und Zentralbankgeld abstreiten und die Rolle der Geschäftsbanken bei der Schaffung von Giralgeld betonen: Den Monatsbericht der Bundesbank von April 2017 zu diesem Thema findet man hier, das BoE-Papier hier.2

„(…)rather than banks lending out deposits that are placed with them, the act of lending creates deposits – the reverse of the sequence typically described in textbooks.“
„Anstatt die von den Banken hinterlegten Einlagen auszuleihen, werden durch die Kreditvergabe Einlagen geschaffen – das Gegenteil von dem, was normalerweise in Lehrbüchern beschrieben wird.“ McLeay et al. (2014, S.2).

Dieser Beitrag wurde von Dr. Michael Paetz verfasst und zuerst auf www.was-ist-geld.de veröffentlicht

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