Die Macht des Geldes herausfordern
«system change» statt «climate change» – je intensiver die Klimadebatte wird, desto deutlicher zeigt sich, dass der Klimawandel nicht allein mit C02-Steuern und Kompensationsgeschäften zu stoppen ist. Wenn wir Zukunft haben wollen, reicht eine ökologische Steuerung der Wirtschaft nicht; auch der Wachstumszwang muss gebrochen werden.
In seiner «Strategie der friedlichen Umwälzung» entwirft Christoph Pfluger, der Schweizer Autor und Verleger der Zeitschrift «Zeitpunkt», einen radikalen Plan. In seinem neuen Buch identifiziert er das weitgehend private Kreditgeldsystem als primären Wachstumstreiber und als nahezu unsichtbaren Umverteiler. «Die Banken schöpfen Geld, indem sie Kredite verleihen», schreibt die Schweizerische Nationalbank. Dabei entsteht nicht nur ein gleichbleibendes Guthaben, das in Zirkulation geht, sondern auch eine Forderung, die mit der Zeit wächst. Nach Darstellung von Pfluger lösen die Banken den daraus entstehenden chronischen Geldmangel, indem sie immer neue Kredite aus dem Nichts verleihen – die primäre Ursache nicht nur des Wachstumszwangs, sondern auch der exponentiellen Verschuldung. Der um sich greifenden Verarmung und Ausbeutung der Natur stehen wachsende Großvermögen gegenüber, deren Renditen um Faktoren über denen von durchschnittlichen Vermögen liegen. In der daraus folgenden Umverteilung sieht Pfluger die wichtigste Ursache von Kriegen, Revolutionen und Staatsversagen.
Das mentale Mangelsystem überwinden
Zur Verhinderung einer solch düsteren Zukunft empfiehlt Pfluger ein strategisches Vorgehen: die schrittweise Entmachtung des privaten, weitgehend illusionären Geldes, einen Schuldenerlass und die Einführung eines Geldsystems im Dienst der Allgemeinheit. Damit dies gelingen kann, sei es aber notwendig, sich selber aus diesem Mangelsystem zu befreien. Durch regelmäßiges Verschenken von Geld könne man «den mentalen Schalter von ‹zuwenig› auf ‹genug› umlegen» und sich aus der Opferrolle befreien, schreibt Pfluger. Dann gelte es, die Legitimität des privaten Geldsystems in Frage zu stellen und der verheerenden Ökonomisierung von allem Widerstand zu leisten. Im Kapitel «Widerstand schafft Wirklichkeit» zeigt er anhand von psychologischen Studien, wie leicht sich der Mensch irrige Mehrheitsmeinungen zu eigen macht und wie entscheidend mutige Individuen bei der Bildung einer realistischen kollektiven Wirklichkeit sind.
Eine ansteckende Gesundheit
Da sich die Herrschaft des Geldes kontinuierlich ausbreitet, ist nach Ansicht von Pfluger ein «Gegenangriff» unumgänglich. Sein Vorschlag: soziale Homöopathie – einen gesellschaftlichen Missstand nicht mit Gegenmaßnahmen zu bekämpfen, sondern durch Injektion des krankmachenden Impulses in den sozialen Organismus. Um den irrigen Glauben an das illusionäre Geld oder die Stabilität der Banken zu erschüttern, schlägt er Botschaften vor wie «Glaubet ans Geld!» oder «Vertraut den Banken!» und hofft dabei auf eine «ansteckende Gesundheit». Eines der grossen Problem der Umweltbewegung ist nach Darstellung von Pfluger die Tatsache, dass die meisten Reformen erst mit Mehrheiten ihre Wirkung entfalten, also ganz selten und oft nur in verwässerter Form. Erschöpfung und Depressionen seien unter Umweltaktivisten deshalb so verbreitet, dass sogar Selbsthilfegruppen gebildet wurden. Seine «Strategie der friedlichen Umwälzung» bringe bereits mit den ersten Schritten – zum Beispiel der Befreiung aus der Opferrolle – so viel persönlichen Gewinn, dass man für die Krise fast dankbar sein müsse.
Christoph Pfluger: Die Strategie der friedlichen Umwälzung – eine Antwort auf die Machtfrage. edition Zeitpunkt, 2019. Fr. 12.00.-/€ 11.00.-. ISBN: 978-3-9523955-9-2